Oberhausen, 23.3.2004, Besuch im Internationalen Frauen-Friedensarchiv IFFABilder

IFFA - Internationales Frauen-Friedensarchiv Fasia Jansen e.V.

Selbstdarstellung

Frauen machen lt. UNO-Untersuchung den größten Teil der Friedensarbeit - Das IFFA ist Teil dieser weltweiten Frauenfriedensbewegung

Wir stellen fest,
  • Dass nach Tausenden von Jahren patriarchalischer „Zivilisation und Entwicklung“ Frauen und Kinder immer der größte Teil der Unterdrückten waren und sind. Heute sind 80 - 90% der Kriegsopfer Frauen und Kinder,
  • Dass die Mehrheit von Frauen und Kindern unmittelbar in Gefahr ist,
    durch DIREKTE GEWALT,
    durch WAFFENGEWALT IN KRIEGS- UND KRISENGEBIETEN,
    durch STRUKTURELLE GEWALT DER ÖKONOMIE UND UMWELTZERSTÖRUNG
    oder durch STAATLICH LEGITIMIERTE GEWALT
    bedroht oder umgebracht zu werden.
„Frauen, die den Preis der Kriege und Konflikte so gut kennen, wären meistens besser dazu geeignet, Kriege zu verhindern und Konflikte zu lösen.“ (Kofi Anan, 24.10.2000)

Unsere Arbeit besteht seit vielen Jahren in:
  • Der Analyse von Inhalten und Zuständen, die im weitesten Sinne mit Frieden zu tun haben,
  • Der Organisierung von Aktionen und Widerstand gegen jede Form von Krieg, der Lösung von Konflikten durch gewaltfreie Aktionen, Nichtakzeptanz von Feindbildern,
  • Der Herstellung von Gegenöffentlichkeit: In Veranstaltungen, mit Ausstellungen, in Medien, bei Aktionen
  • Der Archivierung von Schrift-, Ton- und Filmmaterial, der Sammlung von Kunstgegenständen zum Thema Krieg und Frieden, zur Ökologie, Menschenrechte, zur konzerngesteuerten Globalisierung und zu den Widerstandsbewegungen,
  • Der Bewahrung von subversivem Wissen.
Die Arbeit der Frauen für Frieden, ihr Widerstand gegen Krieg, Gewalt, Globalisierung, Zerstörung der Ökologie soll nicht verschwiegen oder vergessen werden. Darum haben die afrodeutsche Sängerin Fasia Jansen und die Friedensarbeiterin und Publizistin Ellen Diederich 1989 das IFFA gegründet.

Bei weltweiten Aktionen und Veranstaltungen haben wir zusammengetragen:

Bücher, Broschüren, Plakate, Flugblätter, Zeitungsberichte, Fotos, Dias, Tonaufnahmen, Filme, Videos, Kunst- und Kulturgegenstände

Fasia Jansen
Afrodeutsche, Verfolgte des Naziregimes, Sängerin der Friedensbewegung. Sie ist am 29. Dezember 1997 gestorben. In Ehrung ihrer lebenslangen Bemühungen um Frieden, Gerechtigkeit und Emanzipation der Frauen haben wir das Archiv nach ihr benannt.

Ellen Diederich
Friedensarbeiterin, Diplom-Pädagogin und Publizistin ist Koordinatorin des IFFA

MATERIALIEN UND PROGRAMME DES IFFA - INTERNATIONALES FRAUEN FRIEDENSARCHIV FASIA JANSEN e.V.

Lothringer Str. 64 - 46045 Oberhausen, Tel.: 0208/853607, Fax: 853716

Email: Friedensa@aol.com - Bankverbindung: SEB Oberhausen, BLZ: 36010111, Kto.Nr.: 1777057100

Homepage: hometown.aol.de/friedensa/index.html und hometown.aol.de/friedensa/page1.html

Fotoreportage über das IFFA unter www. arbeiterfotografie.de (siehe unter: Reportagen)
  • Bibliothek mit ca. 3.000 Titeln
  • Frauenbewegung, Frauenfriedensbewegung, Friedensbewegung, Militärentwicklungen, Menschenrechte, ArbeiterInnenbewegung, Revolutionen, Internationalismus, Faschismus, Rassismus, Kunst und Kultur von Frauen und aus verschiedenen Kulturen, Soziologie, Psychologie, Pädagogik, Umwelt und Gesundheit
  • Periodika aus der Frauen-, Friedens. Umweltbewegung
  • Produzierte Rundfunksendungen zu Friedensthemen zur Frauen- und Friedensbewegung in verschiedenen Teilen der Erde, Ausstellungen, Dias-Schauen, Broschüren
  • Die Waffen nieder - Geschichte der Frauenfriedensbewegung - Dia-Schau, Ausstellung, Broschüre
  • Ein Wasser, eine Luft, eine Mutter Erde - Das Atomtestgebiet in Nevada und der Widerstand - Dia-Schau, Ausstellung, Broschüre
  • YA BASTA - ES REICHT - Die Zapatistas, der NAFTA Vertrag und die Auswirkungen auf Mexiko, die Frauen, Dia-Schau, Ausstellung, Broschüre
  • Frida Kahlo und die Zapatistas, Dia-Schau über das Leben der Malerin, ihre Bilder und ihre Beziehung zur Urbevölkerung
  • Der Staat zeigt Härte, die Menschen zeigen Charakter - Gorleben, Fotoausstellung
  • Der lange Weg - Weltfrauenkonferenz Peking 1995, Fotoausstellung: 8 Gründe, nach Peking zu gehen, 6 Schritte, die Gründe abzuschaffen
  • Auf den Markt geht Marianne - Frauen in der Französischen Revolution, Dia-Schau
  • Gewaltbereit - Fotoausstellung zur strukturellen Gewalt, Globalisierung, Krieg und Widerstand
  • Auf Afrikaans nannte man es Apartheid - Was für ein Land ist Palästina? Der Konflikt im Nahen Osten, Dia Schau und Fotoausstellung
  • Coca Cola und Mac Donalds - „Wir werden nicht aufhören, bis der letzte Mensch auf der Erde denkt, fühlt und vor allem einkauft wie US-AmerikanerInnen“ - Ausstellung, Filme und Videos
  • Ca. 200 Titel, Dokumentationen und Spielfilme zu Frauen- und Friedensbewegung, Krieg und Umwelt
  • Vorträge zu: Frauen, Friedens-, Globalisierungsfragen, GATS, Sozialabbau, Frauen im Militär, Entwicklung von NATO, Rolle der USA, Frauenfriedensinitiativen, Palästina-Israel
  • Kunstsammlung: Banner, Plastiken, Retablos, Kachinas, Bilder, Grafiken, Wandbehänge, Schmuck, Kleidung, Teppiche, Friedenspfeifen. Talking sticks, Musikinstrumente aus verschiedenen Kulturen - dazugehörige Literatur
  • Das Haus auf dem blauen Planeten - Kinderprojekt
  • Puppenhaus mit Puppen aus verschiedenen Kontinenten, dazu: Programme über Alltagsleben von Kindern in verschiedenen Kulturen - Essen, Kleidung, Wetter, Musik, Spiele
Das Archiv kann jederzeit nach Anmeldung besucht werden! Ausleihbedingungen bitte im einzelnen erfragen!


Arbeit, Globalisierung, Privatisierung in den Zeiten Neoliberaler Mächte

Ellen Diederich bei der DGB-Kundgebung zum 1. Mai 2004 in Crailsheim

Liebe KollegInnen, Liebe Kollegen,

Die Geschichte des 1. Mai ist die Geschichte der Kämpfe um menschenwürdiges Leben, um vernünftige Arbeitsbedingungen, Bildung und Ausbildung, Arbeitszeitregelung, Krankenversorgung, Renten, soziale Absicherung der Schwachen, der Kranken, der Alten, der Kinder und um Frieden. Alles, was wir heute erreicht haben, ist kein Geschenk gewesen, sondern in langen Auseinandersetzungen, die viele Opfer gefordert haben, durch die Gewerkschaften und andere Organisationen der ArbeiterInnenbewegung erkämpft worden.

Heute befinden wir uns in einer Zeit der Verwirrung und Verunsicherung, sowohl im zivilen Leben als auch in der militärischen Entwicklung. Diese Verwirrung drückt sich auch in Sprache aus. Begriffe werden in ihr Gegenteil verkehrt. Ja wird zum Nein, Begriffe wie „Sicherheit, Terrorismus, Pazifismus, Krieg und Frieden, Humanität, Liberalität, soziale Gerechtigkeit, demokratischer Sozialismus“ und andere.

Bei der Abstimmung im Bundestag über den Afghanistan Einsatz sagte Antje Vollmer: „Mein Ja war eigentlich ein Nein!“ (Besser kann man in einem Satz die Entwicklung der Grünen nicht charakterisieren)

Sicherheit ist einer der am meisten pervertierten Begriffe. Unser Leben „sichern“ wir durch „Lebens-Versicherung“, Sicherheit erreichen wir angeblich durch immer schärfere Gesetze, Überwachung, Bespitzelung, Sicherheit durch Tampons, Sicherheit durch Schönheitsoperationen, Sicherheit im Alter durch private Vorsorge, kaum ein Bereich, in dem nicht von Sicherheit gequatscht wird.

Terrorismus wird durch diejenigen definiert, die selber in der Form von Staatsterrorismus Kriege führen und Verbrechen in unvorstellbaren Dimensionen begehen. Für uns ist Terrorismus u.a. die Verweigerung von Nahrung, Wasser, Medikamenten für die Menschen in der 2/3 Welt. Dieser Verweigerung fallen weltweit täglich alleine etwa 40.000 Kinder zum Opfer.

Pazifismus heute sei nicht mehr dasselbe wie im letzten Jahrhundert, heute sei Pazifismus Drückebergerei, sagte Erhard Eppler beim SPD-Parteitag. Außenminister Josef Fischer definierte Krieg neu. Er sagt: „Krieg ist die realpolitische pazifistische Konsequenz“! Humanität wird in den neuen Kriegen zur Humanitären Intervention, Liberalität wird zum Neoliberalismus.

Ein Staat, der soziale Gerechtigkeit für seine BürgerInnen will, sei nicht mehr zeitgemäß. Er müsse in einen Staat umgewandelt werden, in den die Bestimmung der gerechten Ungleichheiten gehört. Wir müssten uns von der antiquierten Bismarckschen Sozialgesetzgebung, die im Sozialstaatsgedanken fortwuchert, verabschieden und die Umwandlung der Idee des demokratischen Sozialismus in eine soziale Demokratie der offen Wirtschaft vollziehen, sagen Olaf Scholz und Thomas Meyer von der SPD.

Also: Krieg ist jetzt Frieden, Humanität humanitäre Intervention, Pazifismus Drückebergerei, soziale Gerechtigkeit wird zu gerechten Ungleichheit und der demokratische Sozialstaat zur sozialen Demokratie einer offenen Wirtschaft.

Soziale Gerechtigkeit aber ist ein durch die französische Revolution und die Arbeiterbewegung gleichsam geprägter Kampfbegriff. Wir werden ihn nicht aufgeben.

Jeden Tag hören wir über vorgeblich notwendige Veränderungen, sei es die sogenannte Rentenreform, die für das Leben von Millionen Menschen im Alter Unsicherheit heißt, sei es die sogenannte Gesundheitsreform, die Beschneidung der medizinischen Versorgung bedeutet, Privatisierung von Bildung, Arbeitszeitverlängerung und -intensivierung, Verkauf von kommunalem Eigentum an Konzerne. Die Morgennachrichten sind wie Russisches Roulette, was wird uns als nächstes treffen?

Zauberworte sind Globalisierung und Privatisierung. Was heißt Globalisierung? Was richtet sie an? sind die Folgen? Ein paar Beispiele:

Kinderarbeit:

Weltweit sind an die 250 Millionen Kinder zur Arbeit gezwungen, werden sexuell ausgebeutet oder versklavt. Millionen von ihnen schuften für die multinationalen Konzerne.

Wirtschaftsmächte:

Unter den hundert größten Wirtschaftsmächten der Welt sind heute 48 Länder und 52 Konzerne. Diese 52 Konzerne haben soviel Umsatz, daß sie den vieler Länder überschreiten. Unter diesen 52 sind Daimler/Chrysler, Volkswagen und die Deutsche Bank.

Armut und Reichtum:

Die Befürworter der Globalisierung sagen, die Globalisierung wird alle Menschen wohlhabender machen. Genau das Gegenteil ist der Fall. Die Kluft zwischen arm und reich vergrößert sich dramatisch.

Verschuldung:

Die Verschuldung der Länder des Südens und Ostens ist von 100 Milliarden Dollar im Jahre 1970 auf über 2000 Milliarden Dollar zum Jahr 2000 angewachsen. Die Zinsen verschlingen 30 - 50% der Haushalte dieser Länder.

Frankenfood:

Alle fünf Stunden wird weltweit ein neuer Mc Donald eröffnet. Mc Donald ist einer der großen Verbreiter von Frankenfood. Frankenfood bedeutet: Frankensteinfood, also Frankensteinnahrung, das ist genetisch manipulierter und industriell hergestellter Fraß. Was wir essen, ist heute eine politische Aktion.

Kulturelle Vorherrschaft:

Die kulturelle Vorherrschaft soll durchgesetzt werden. Sie ist soweit fortgeschritten, daß wir überall auf der Welt die gleichen in US-amerikanischen Filmstudios entstandenen Filme sehen, die Seifenoper Dallas flimmerte in nahezu allen Ländern der Erde in die Wohnungen, Disneyland ist ein Weltreich, Popstars werden zu globalen Autoritätsfiguren. „Satelliten, Kabel, Walkmans, Videorecorder, CD’s und andere Wunderwerke der Elektronik sind die Arterien, durch die die modernen Unterhaltungskonzerne die Weltkultur gleichmachen.“ (Barnet/Cavanagh, Die globale Homogenisierung der Kultur, Schwarzbuch, S. 253)

Saatgut:

Überall auf der Welt haben Bauern und Bäuerinnen von der Ernte des letzten Jahres einen Teil für die nächste Aussaat zurückbehalten. Nun haben Konzerne wie der US Konzern Monsanto ein Saatgut entwickelt, das nur für eine Ernte gebraucht werden kann. Es hat sterile Nachkommen, vernichtet sich selbst. „Dieses Saatgut nennt man Selbstmord Samen und es bedeutet, daß die Bauern jedes Jahr neues Saatgut kaufen müssen.“ (Maria Mies, Globalisierung von unten, S. 91)

Freihandelszonen:

In weltweit über 800 Freihandelszonen schuften Millionen Menschen, vor allem Frauen für die multinationalen Konzerne. Die Arbeitszeit beträgt zwischen 12 und 16 Stunden, die Löhne betragen 1 - 4 Dollar, die Arbeitsbedingungen unbeschreiblich. Freihandelszone bedeutet: In diesem Bereich gelten keine Gesetze, die sich das Land, in dem diese Zone liegt, gegeben hat. Es gilt kein Gesetz zum Umweltschutz, zu Arbeitsbedingungen, zur sozialen Absicherung.

Percy Barnewick, Verwaltungspräsident der Asea-Brown-Bovery-Gruppe, eines der größten Multis der Welt, definierte Globalisierung folgendermaßen: „Ich würde Globalisierung als die Freiheit für meine Gruppe von Unternehmen definieren, zu investieren, wo und wann sie will, zu produzieren, was sie will, zu kaufen und verkaufen wo sie will, und die möglichst geringsten Restriktionen zu unterstützen, die aus Arbeitsgesetzen oder anderen sozialen Übereinkünften resultieren.“ Klarer kann man es eigentlich nicht formulieren!

Das 2. Zauberwort heißt: Privatisierung. Warum ist ein solches Interesse an der Privatisierung?

Die globalen Ausgaben für Wasserversorgung belaufen sich auf über $ 1 Billion, für Erziehung auf über $2 Billionen, Gesundheitsversorgung auf über $3,5 Billionen pro Jahr. In diesen drei Bereichen sehen die multinationalen Konzerne ihre größten Profitmöglichkeiten. Es ist daher kein Wunder, dass sie auf die Privatisierung gerade dieser Bereiche drängen.

Wasserversorgung

Wasser ist ein notwendiges Gut, Voraussetzung für Leben. Wasser darf nicht zur Handelsware werden. In vielen Ländern aber, auch in Deutschland, haben bereits viele Gemeinden, oft aus Finanznot ihre Wasser- oder Abwasserversorgung an Konzerne verkauft. Privatisierung von Wasser bedeutet überall Verteuerung, Reduzierung der Arbeitsplätze, Verschlechterung der Qualität. In Großbritannien haben die Wasserkonzerne nach der Privatisierung die Tarife um 50 % erhöht. Krankheiten wie Hepatitis A verdoppelten sich im Laufe weniger Jahre. Die Anlagen verrotten, Konzerne haben wenig Interesse an kostenintensiver Wartung, sie wollen Profit machen. In Indien, wo die Wasserversorgung von 98% der Bevölkerung nicht durch ein ausgebautes Wasserleitungssystem der Kommunen, sondern weitgehend direkt durch die Flüsse gedeckt wird, ist der erste Fluß, der Sheonath in der Provinz Chattisgarh. privatisiert worden. Polizei auf Motorrädern fährt am Fluß auf und ab, um zu kontrollieren, daß ja niemand einen Eimer Wasser aus dem Fluß holt. 1 km von den Flußufern entfernt dürfen die Brunnen nicht mehr benutzt werden. In Bolivien durften nach der Privatisierung ebenfalls die Brunnen nicht mehr genutzt, es sollte nicht mal mehr Regenwasser gesammelt werden dürfen, weil alles Wasser privat angeeignet werden sollte. In der Provinz Cochambamba rebellierten die Menschen, die bis zu 40% ihre Einkommens für Wasser ausgeben mussten. Es gab Aufstände und Tote. Die Regierung musste die Privatisierung zurücknehmen.

Gesundheitsbereich

Ein kleines Beispiel für den dramatischen Qualitätsverlust durch Privatisierung im Gesundheitsbereich sehen wir bei uns an der Pflegedienstentwicklung. Hier ist inzwischen jeder Handgriff einzeln bewertet und muß bezahlt werden. Meine Mutter musst sich überlegen, wann sie es sich leisten kann, den Rücken waschen zu lassen, oder die Strumpfhosen anzuziehen. Zuwendung und Freundlichkeit, bleiben auf der Strecke, werden nicht bezahlt, dafür ist keine Zeit.

Die Privatisierung der Krankenhäuser ist in den USA viel weiter fortgeschritten. Sie hat hat u.a. zu sogenannten drive-in Operationen geführt. Wie bei einem drive-in fast food Restaurant wie Mac Donalds gilt auch für Krankenhäuser: kurz rein und so schnell wie möglich wieder raus. Z.B. Bei Brustkrebs, morgens die Brust amputiert, gegen Abend muß das Krankenhaus wieder verlassen werden. Neben den Krankenhäusern sind sogenannte Pflegehotels entstanden, die privat bezahlt werden müssen. Diejenigen, die es sich also leisten können, gehen ins Pflegehotel, die anderen müssen sehen, wie sie zurechtkommen.

Richard Rainwater, Gründer einer der größten privaten Krankenhauskette formulierte den Anspruch: „Der Tag ist gekommen, wo jemand für das Spitalbusiness das tun muß, was Mac Donald für das Fast Food Business und Wal Mart für den Einzelhandel gemacht hat.“ (Reimon/Felber, Schwarzbuch Privatisierung, S. 62)

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,

Es ist ganz einfach: Niemand möchte krank sein. Egal wie modern die Arztpraxis, wie schön die Krankenhauszimmer und wie gut die Versorgung ist. Ein Krankenhaus oder eine Arztpraxis sind kein Fast Food Restaurant.

Wir können entscheiden, ob wir, entsprechend unseren Mitteln, ein Kleid bei Lagerfeld oder bei C&A kaufen. „Wer aber chronisch krank ist, kann nicht einfach seine Krankheit zurückgeben. Niemand kann entscheiden, ob er Leukämie oder doch nur lieber eine Erkältung hat.“ ebenda

Der dritte Bereich, der privatisiert werden soll, ist die Bildung.

Gehen wir noch mal aus von dem, wie wir uns umfassende Bildung vorstellen, „Menschenwürde ist in ihrem Kern die Möglichkeit des einzelnen Menschen, sich seines eigenen Denkens ohne fremde Leitung zu bedienen und aus eigenen Einsichten heraus zu handeln. In diesem Kontext begreifen sich die individuellen Freiheitsrechte und die Rechte demokratischer Gesellschaften.“ (Maude Barlow, GATS-Papier) Bildung und Ausbildung sind hierzu die unbedingte Voraussetzung.

Mit der Privatisierung sind marktähnliche Verhältnisse in Kindergärten, Schulen Universitäten, Eliteschulen, Volkshochschulen, Büchereien, aber auch in Kultur-Einrichtungen wie Theater usw. geplant.

Die Stadt Gelsenkirchen hat aus Finanznot alle Schulgebäude an einen US-Konzern verkauft. Sie muß jetzt jeden Monat die Schulen zurückmieten und ist 99 Jahre noch dafür verantwortlich, dass die Gebäude instand gehalten sind.

40 Länder der WTO, einschließlich aller Länder der EU haben bereits die Erziehung unter den Zuständigkeitsbereich des Allgemeinen Abkommens über Privatisierung von Dienstleistungen, das sogenannte GATS gesetzt. Die EU hat angekündigt, daß jede öffentliche Schule in Europa noch in diesem Jahrzehnt eng mit einem Unternehmen verbunden werden muß. Die Schritte sind eingeleitet. Bayer Leverkusen hat bereits Kooperationen mit verschiedenen Schulen. Die Kinder kommen in den Ferien zu Bayer, arbeiten in den Labors und werden in die schöne neue Welt der Genforschung usw. eingewiesen. Bertelsmann hat den Auftrag erhalten, das Fach Wirtschaftskunde für alle Sekundarstufen 2 zu entwickeln.

Das alles läuft auf eine erzwungene kommerzielle Ausrichtung des Bildungs- und Kulturlebens hinaus, am besten gefördert durch reiche Sponsoren. Bildung und Kultur im unfassenden Sinne wird es nur noch für die geben, die von den Marktinteressen auch dazu ausersehen sind.

Dazu gehören sicherlich nicht mehr die Arbeitslosen. Seit 2002 gibt es bei uns eine Bestimmung für Menschen, die Arbeitslosenhilfe beziehen. Diese Bestimmung heißt: „Nicht mehr geschützt für Arbeitslose sind Gegenstände, die zur Befriedigung geistiger, wissenschaftlicher und künstlerischer Bedürfnisse dienen. (Bücher und Schallplatten z.B.)“ (Arbeitslosenprojekt Tu was, Leitfaden für Arbeitslose, Fachhochschulverlag, S. 219) Das heißt im Klartext. Das Arbeitsamt ist berechtigt zu verlangen, dass Bücher und Schallplatten, Bilder und sonstiges verkauft werden müssen, um vom Erlös ein paar Tage zu leben.

Jetzt sind wir nicht nur arbeitslos, jetzt sollen wir auch dumm und ungebildet sein. Fernsehen dürfen wir noch behalten. Vielleicht kann man ja den Arbeitslosen die öffentlich rechtlichen Programme abstellen und nur noch die Privatsender, das Tittitainment zulassen.

Was aber ist Privatisierung wirklich: Die Ökonomin Susan George, eine der Initiatorinnen von attac, sagt: „Ich schlage vor, daß wir aufhören von Privatisierung zu sprechen und statt dessen Worte verwenden, die die Wahrheit deutlich machen. Wir reden über die Veräußerung und Preisgabe der Ergebnisse der jahrzehntelangen Arbeit von Millionen Menschen an eine winzige Minderheit großer Investoren. Dies ist einer der größten Raubüberfälle unserer und aller bisherigen Generationen.“ (Susan George in: Infobrief 1 Netzwerk gegen Konzernherrschaft und neoliberale Politik, S. 8)

Wer steuert diese Prozesse?

Das internationale Finanzkapital, die Finanzakteure der Wall Street und anderer Börseneinrichtungen. Die Wall Street war übrigens in der Zeit, in der die USA eine Sklavenhaltergesellschaft waren, die Straße, in der die Mauer stand, an die die Sklaven auf dem größten Sklavenmarkt von New York angekettet waren. Heute ist nahezu die ganze Welt an diese Mauer angekettet. Neben diesen Finanzakteuren sind es im zivilen Bereich drei Institutionen: Die Weltbank, der Internationale Währungsfonds und die Welthandelsorganisation.

Direktor des Internationalen Währungsfonds war bis zum letzten Monat Horst Köhler, der Mann, der in diesem Monat aller Voraussicht nach zum Präsidenten der Bundesrepublik Deutschland gewählt werden wird. Herr Köhler, der Lieblingskandidat von Frau Merkel, Herrn Weigel, des Großkapitals, der Wirtschaftsverbände, war also Direktor des Internationalen Währungsfonds, berufen übrigens durch den SPD Bundeskanzler Gerhard Schröder.

Viele Länder sind bereits im Würgegriff des IWF. Der IWF will nach eigener Darstellung in enger Kooperation mit der Weltbank durch Förderung von Wirtschaftswachstum zur Verhinderung von Arbeitslosig-keit und Entwicklung beitragen. Genau das Gegenteil ist der Fall.

Die geförderten Entwicklungsvorhaben sind in erster Linie viele unsinnige Großprojekte wie z.B. in Indien 3.000 Staudämme, durch die alleine in dem Land 50 Millionen Menschen heimat- und arbeitslos geworden sind. Diese Großpro-jekte erfordern eine ständige Erweiterung des Kreditvolumens durch IWF und Weltbank und damit immer größere Schulden- und Zinsenberge.

Hat ein Land Kredite bei normalen Banken und kann diese Kredite nicht zurückzahlen, können Weltbank und IWF als Kreditgeber eintreten. Zur Sicherung der Währungsstabilität kann der IWF gefährdete Länder vorüber-gehend mit Finanzmitteln ausstatten, bindet diese Mittelvergabe an strenge Kriterien, die sogenannten Strukturanpassungsprogramme. Ohne die Verpflich-tung auf die Strukturanpassungsprogramme erhalten die Länder keine kurzfristigen Sofortkredite.

Wie sehen diese Programme aus? Einige Kriterien:
  • Die Länder dürfen ausländischen Investoren keine Beschränkung geben.
  • Einheimische Industrien und Banken dürfen nicht mehr bevorzugt werden, Das Land hat eine schlechtere Selbstversorgung, die Vielfalt heimischer Produkte wird beschnitten, Monokulturen bekommen den Vorrang.
  • Löhne müssen gekürzt werden, auf Lohnerhöhungen muß verzichtet werden, um die Exporte wettbewerbsfähiger zu machen.
  • Die Staatsausgaben müssen gekürzt werden. Das heißt, die Gelder für Bildung, Gesundheit, Soziales, öffentliche Dienstleistungen reduziert werden.
  • Die Landeswährung muß abgewertet werden, damit die eigenen Exporte auf dem Weltmarkt bessere Chancen haben.
  • Staatseigentum muß privatisiert werden, damit ausländische Firmen besseren Zugang haben.
  • Vorschriften, die sich ein Land zum Umweltschutz gegeben hat, zu Arbeitsschutz , zum Schutz der natürlichen Bodenschätze müssen zurückgenommen werden, damit die Kosten für die Produkte, die ausgeführt werden sollen, sinken.
Viermal im Jahr kontrollieren Weltbank und IWF die Länder, denen sie Kredite gewährt haben, ob diese Länder die Bedingungen auch einhalten. In allen Ländern, in denen die Strukturanpassungsprogramme gegriffen haben, sinken die Einkommen der Mehrheit der Bevölkerung, die Versorgungslage wird schlechter, Arbeitslosigkeit, Obdachlosigkeit und Armut wachsen.

Das erste Land, in dem die in Chicago entwickelten Strukturanpassungs-programme (SAK) ausprobiert wurden, war übrigens das Chile nach der Ermordung des gewählten sozialistischen Präsidenten Salvador Allende und dem blutigen Putsch des Diktators Pinochets. Chile wurde zum ersten Experimentier-feld für neo-liberalistische Konzepte zur Umgestaltung von Gesellschaften.

Argentinien gehört zu den Ländern, die sich weitgehend an die Kriterien des IWF gehalten hat. Es ist auch das Land, in dem einer der größten ökonomischen Zusammenbrüche des letzten Jahrzehnts die Mehrheit der Bevölkerung in Armut getrieben hat.

Die Institution, die zusammen mit Weltbank und Welthandelsorganisation diese Prozesse zu verantworten hat, ist der Internationale Währungfonds, dessen Direktor eben Herr Köhler war.

Die USA versuchen, ihr Wirtschafts-, Sozial-, und Militärmodell der Welt aufzuzwingen. In den USA ist nahezu alles privatisiert, von den Gefängnissen bis hin zur derzeitigen Regierung. Oder wie soll man das nennen, wenn der Präsident, der Vizepräsident, der Kriegsminister und andere Regierungsmitglieder auf Gehaltslisten der Konzerne stehen, die Regierungsaufträge, vor allem große Öl- und Rüstungsaufträge bekommen? Das Land überzieht die Welt mit Krieg, die Rüstungsausgaben sind international in unvorstellbaren Dimensionen gestiegen.

Deutschland hat nachgezogen, leistet sich Soldaten in vielen Teilen der Erde, unsere Freiheit muß am Hindukush verteidigt werden.

Der Aufbau dieser Militäreinheiten, aber natürlich auch die längst in verschiedenen Teilen der Erde stationierten deutschen Truppen mit ihren Waffensystemen kosten enorme Summen. Das Geld kann nicht zweimal ausgegeben werden, also müssen anderswo Kürzungen vorgenommen werden.

Der Militärhaushalt betrug für 2.003 24.4. Milliarden Euro bei einem Gesamthaushalt von 246.3 Mrd. Euro.

Für Deutschland sagte Schröder bei der Vorstellung der Agenda 2010: „Das, was wir mit der Agenda 2010 vorhaben, ist natürlich unserer inneren und sozialen Entwicklung geschuldet. Es ist aber zugleich unsere Verantwortung für eine starkes Europa und damit für seine Rolle in der Welt.“

In den neuen Verteidigungspolitischen Richtlinien heißt es: „Künftige Einsätze lassen sich wegen des umfassenden Ansatzes zeitgemäßer Sicherheits- und Verteidigungspolitik und ihrer Erfordernisse weder hinsichtlich ihrer Intensität noch geografisch eingrenzen.“ Die Richtlinien sehen vor, daß die Bundeswehr weltweit und im Innern eingesetzt werden soll.

Heute, am 1. Mai, stellen wir überall auf der Welt bei unseren Aktionen die Fragen:

Wer ist berechtigt, die Regeln der Wirtschafts- und Sozialordnung aufzustellen, die weltumspannend gilt? Ein exklusiver Club der Reichen und Superreichen? Oder diejenigen, die die Millionen Menschen vertreten?

Was können wir machen? Haben wir überhaupt Einflussmöglichkeiten? Mit unseren Aktionen am 3. April, mit unseren heutigen Kundgebungen, Protesten?

Am 15. Februar 2003 wurde eine Vision wahr. 15 - 20 Millionen Menschen weltweit gingen auf die Straße und protestierten gegen den Krieg im Irak. Von Neuseeland bis Mexiko, von San Francisco bis Madrid. Die New York Times unterstützte den Kriegskurs der US-Regierung. Trotzdem kam sie 2 Tage nach den Demonstrationen, am 17. Februar 03 zu der bemerkens-werten Einschätzung, daß es jetzt zwei Supermächte auf der Erde gäbe: Die USA und die Öffentliche Meinung der Welt. Präsident Bush finde sich nun Auge in Auge mit einer hartnäckigen Widersacherin, nämlich der weltweiten Antikriegs- und der Bewegung für soziale Gerechtigkeit, wieder. Diese Bewegung hat den Irak Krieg noch nicht verhindern können.

Dennoch: Wir sind viele und sie sind es nicht. Sie brauchen uns mehr als wir sie.

In Spanien waren am 15. Februar 2003 über 10% der gesamten Bevölkerung auf der Straße. Über 90% der Spanier war gegen eine Beteiligung am Irak-Krieg. Dort hat die Widersacherin Öffentliche Meinung die konservative Regierung abgewählt, Die spanischen Soldaten kommen nach Hause.

Heute vor vier Wochen waren wir eine halbe Million Menschen in Deutschland, die auf die Straße gegangen sind. Wir haben Möglichkeiten zur Veränderung. Und es wird Zeit, stärker als je zuvor einzugreifen.

Das wird keine einfache Sache. Wir brauchen einen langen Atem, kluge und warmherzige Menschen. Eine von ihnen ist die indische Schriftstellerin und Aktivistin Arundhati Roy. In ihrer Rede bei Weltsozialforum antwortete sie auf die Frage, was wir tun können:

„Wir können unser Gedächtnis schärfen und aus unserer eigenen Geschichte lernen. Wir können der öffentlichen Meinung Ausdruck geben, bis sie zum ohrenbetäubenden Gebrüll wird.... Wir können zeigen, dass die Menschen dieser Welt nicht nur die Wahl zwischen einer bösartigen Mickymaus und wahnsinnigen Mullahs haben. Unsere Strategie darf nicht nur darin bestehen, die neoliberalen Mächte bloßzustellen, wir müssen sie regelrecht belagern, dafür sorgen, dass ihnen die Luft ausgeht. Wir müssen sie beschämen und verspotten. Mit unserer Kunst, mit unserer Musik, unserer Literatur, unserer Dickköpfigkeit, und unserer Lebenslust, mit unserer Raffinesse und unserer Unermüdlichkeit - und nicht zuletzt damit, dass wir unsere eigenen Geschichten erzählen, Geschichten, die sich von denen unterscheiden, die man uns eintrichtern will. Eine andere Welt ist nicht nur möglich, sie ist bereits im Entstehen. An stillen Tagen kann ich sie atmen hören.“