Köln, 21./23.2.2013 - Obdachlose bei Frosttemperaturen in der Kölner InnenstadtBilder

Es ist ein kalter Februar Tag im Jahre 2013

Kommentar von Klaus Franke

Ein eisiger Wind weht aus Nord-West. Er verfängt sich unter den hässlichen Beton-Schluchten des so genannten Ebertplatz-Lochs in Köln. Unter einer zugigen Beton-Nische, liegen in ihren Schlafsäcken auf dem eiskalten Beton-Boden bei 0 Grad Celsius zwei junge Männer - an ihrem Fußende ein Blech Behälter, in denen einige Cent Stücke liegen. Zurzeit sind es am Tag um die 0 C. in der Nacht bis 8 Grad Minus. Wie halten die beiden das nur aus? Die meisten Passanten gehen achtlos an Ihnen vorbei, um sich der Realität zu entziehen. Ein altes Mütterchen beugt sich zu den beiden Obdachlosen hinüber, um ihnen einen heißen Kaffee zu spenden. Sicher hat die alte Frau die schrecklichen Kriegsjahre miterlebt.

Durch meine täglichen Spaziergänge sehe ich die beiden jungen Obdachlosen schon seit Monaten dort liegen, egal zu welcher Tageszeit bei jedem Wetter!

Im Vorbeigehen werde ich immer freundlich von den beiden begrüßt. In letzter Zeit bringe ich ihnen belegte Brote und heiße Getränke vorbei. Nie habe ich das Gefühl, das sie aufdringlich oder angetrunken sind. Ich bewundere ihren Lebenswillen. Ihre Menschenwürde ist ungebrochen. Allmählich kommen wir ins Gespräch. Es hat eine Zeit gedauert, bis Vertrauen entstand und das Eis gebrochen ist.

Slafi, 34 Jahre, aus Lemburg / Polen, seit 12 Jahren in Deutschland. Sechs Jahre lebt er auf der Straße. Seine Eltern kamen vor 9 Jahren durch einen Autounfall ums Leben. ein Bruder lebt in Hamburg, hat dort Frau und Kinder, aber keinen Kontakt zu ihnen. Slafi hat immer ein freundliches Lächeln und wirkt sehr aufgeschlossen. Sein Freund Artur hingegen wirkt etwas verschlossen und zurück haltend. Er ist 38 Jahre, lebt seit knapp 2 Jahren in Deutschland. Er ist in Krakau zuhause, wo noch seine Mutter mit seiner jüngeren Schwester lebt. Der Vater ist gestorben. Artur möchte seiner Mutter nicht auf der Tasche liegen, da sie selber arm ist. Er hat wenig Kontakt zu ihr. Sie soll nicht wissen, dass ihr Sohn auf der Straße lebt.

Die Polizei erkundigt sich täglich bei den beiden, ob alles in Ordnung sei. Ansonsten werden Slafi und Artur nicht behelligt. Zur Toilette und zum Waschen dürfen sie ins Café Heinemann in der Neusser Str. Sie bekommen keinerlei Unterstützung vom deutschen Staat, mit der Begründung, sie könnten ja wieder zurück nach Polen. Am Tag schnorren beide zusammen ca. 10 Euro, das reicht gerade mal für etwas Essen und zu Trinken. Trotz aller Lebensumstände bewahren beide ihre Würde. Sie achten auf Sauberkeit und trinken wenig Alkohol. In einer Notschlafstelle wollen sie nicht übernachten. Dort herrscht das Gesetz des Stärkeren. Diebstahl ist dort an der Tagesordnung. Ansonsten finden sie das SKM in Köln ganz in Ordnung. Besonders der dort praktizierende Arzt nimmt sich immer viel Zeit, auch für die Sorgen und Probleme seiner Patienten.

Als ich heute morgen wieder gegen 9 Uhr nach den beiden vorbei schaute - zu dieser Zeit waren es 5 Grad minus - ging es Sclafi sehr schlecht. Er zitterte am ganzen Körper, wirkte sehr geschwächt. Ihn hat die Grippe erwischt. Als ich ihm den Vorschlag machte, mit Ihm ins Krankenhaus zu fahren, lehnte er dies vehement ab. Er möchte seinen Freund Artur nicht alleine lassen! Auch Artur wollte nicht alleine sein. Ich hoffe, dass er sich wieder erholt. Soweit es möglich ist, versorge ich beide mit heissen Getränken, zu Essen und mit Obst. Als ich heute abend wieder nach ihnen vorbei schaute, fand direkt neben an bei einem Künstler eine Vernissage statt. Die jungen Gäste feierten drinnen und draussen, ohne jedoch irgendwelche Notiz von den beiden Obdachlosen zu nehmen. Es ist erschreckend zu beobachten, wie gleichgültig es besonders jungen Leuten ist, wenn sich direkt in ihrer Nähe ein menschliches Schiksal mit Not und Elend abspielt!

Wie verroht muß diese Gesellschaft sein! Ich habe beobachtet, dass die jungen Gäste von der Vernissage aus der Mittelschicht waren. Sie haben wohl selber noch nie Leid erfahren müssen. Das Gespür des Mitgefühls ihren Mitmenschen gegenüber ist ihnen abhanden gekommen. Würde mehr Solidarität unter den Mitmenschen bestehen, wäre solch ein Elend nicht denkbar. Bleibt zu wünschen übrig, das endlich ein politischer Umbruch und Denkprozess stattfindet. Sonst sehe ich für unsere Zukunft und die nachfolgenden Generationen keine Lebensperspektive!