1. Rezensionen zu Veröffentlichungen von Juni bis August 2003: |
2. Rezensionen zu Veröffentlichungen vom 21. August bis 8. September 2003: |
3. Rezensionen zu Veröffentlichungen am 9. September 2003: |
4. Rezensionen zu Veröffentlichungen am 10. September 2003: |
5. Rezensionen zu Veröffentlichungen vom 11. September bis 22. Oktober 2003: |
6. Rezensionen zu Veröffentlichungen vom 26. bis 27. Oktober 2003: |
7. Rezensionen zu Veröffentlichungen ab Dezember 2003: |
8. Rezensionen zu Veröffentlichungen ab April 2004: |
9. Rezensionen zu Veröffentlichungen ab August 2004: |
10. Rezensionen zu Veröffentlichungen ab Februar 2005: |
James Nachtwey mutiert zu Leni Riefenstahl Der Fotograf James Nachtwey in 'Time' vom 29.12.2003 und in der vom 22.11.2003 bis 29.2.2004 in Berlin stattfindenden Ausstellung 'War Photographer' James Nachtwey sei der berühmteste Kriegsfotograf unserer Zeit - lesen wir. Er sei ein Zeuge und seine Bilder seien seine Aussage. Die von ihm erfaßten Ereignisse sollten nicht vergessen werden und sie dürften sich nicht wiederholen - sagt Nachtwey über sich und seine Arbeit. Wir würden sehen, wie der berühmte Fotograf den 'Augenblick der Wahrheit' suche, lesen wir über den Film 'War Photographer', den Christian Frei über Nachtwey gemacht hat. Der Film kommt Mitte 2002 in die Kinos, und etwa ein Jahr später wird er auch im deutschen Fernsehen gezeigt. Bilder zu machen, die aufrütteln, die anklagen, das war und sei bis heute der Impuls für seine Arbeit - hören wir im Kulturweltspiegel, der sich am 9.6.2002 mit dem Film befaßt. Die ästhetische Qualität seiner Aufnahmen schärfe unseren Blick auf das, was sie zeigen. Sie verwandele das Gesehene in ein Bild, das zurückschaut. Es sei ein Album der Menschheit, das hier entstehe, eine Bestandsaufnahme des späten zwanzigsten und frühen einundzwanzigsten Jahrhunderts - lesen wir in der FAZ. Was er festhalte - sagt er - werde Teil des ewigen Archivs unseres kollektiven Gedächtnisses sein, und er wisse, daß Fotos Verantwortliche zum Handeln zwingen können. Seine Fotografie ist in der Tat ästhetisch, doch sie ist - diese Aussage mag jetzt überraschend kommen - ästhetisch hochwertige Propaganda. Das merkt man ihr auf den ersten Blick nicht an - ein Phänomen, das sie in gewisser Weise auszeichnet. Wir erinnern uns an ein Zitat von Joseph Goebbels über den Charakter von Propaganda. Wenn Nachtwey davon spricht, Verantwortliche zum Handeln zwingen zu können, ist damit das Führen von Krieg gemeint, der Krieg der USA oder der Nato gegen ein Land, in dem es einzugreifen gilt. Ganz wichtig sei Nachtweys Mut zur Wahrheit, lesen wir im Gästebuch zur Ausstellung 'War Photographer' die vom 22.11.2003 bis 29.2.2004 in Berlin zu sehen ist. Seine Fotografie sei ein Mittel des Protests gegen den Krieg, wird verbreitet. Um Nachtwey hat man die Aura des Ästheten und des moralisch unanfechtbaren Antikriegsfotografen aufgebaut. Sie verstellt den Blick auf den propagandistischen Kern. Nicht die einzelnen Fotos sind das Problem, sondern die Tatsache, was er fotografiert und was nicht. Beispiel Afghanistan 2001: die Opfer des von den USA geführten Krieges gibt es nicht. Beispiel Jugoslawien 1999: die Opfer des von der Nato geführten Krieges gibt es nicht. Leid wird immer von den anderen verursacht. Nato und USA, das sog. westliche Bündnis als Leid- und Kriegsverursacher gibt es für Nachtwey nicht. Hinter dem Mantel des Anti-Kriegsfotografen versteckt sich die Ideologie der Herrschenden und des von ihnen gesteuerten Mainstreams. Der Krieg der USA gegen Afghanistan wird mittels al-Qaida und Taliban mit dem 11. September in Verbindung gebracht, als sei eine solche Verbindung erwiesen. Der Krieg der Nato gegen Jugoslawien wird mit der Reduktion auf den Begriff Kosovo verbrämt, als habe sich der Krieg auf den Kosovo beschränkt und als sei es bei dem Krieg ausschließlich um den Kosovo gegangen. Für Nachtwey gibt es entsprechend der herrschenden Meinung als Verursacher des Leids im Kosovo fast ausschließlich die Serben. In der Ausstellung erfahren wir: es sind die Serben, die bis 1998 über 2000 Kosovaren umbringen, über 300 Dörfer zerstören und 200.000 Menschen vertreiben. Die UCK dagegen ist eine Guerilla-Organisation, in der sich 'einige' Kosovaren zusammenschließen und ihren Kampf für die Unabhängigkeit 'vorbereiten'. Daß die UCK tatsächlich gekämpft haben könnte, dabei von außen unterstützt wurde und die bewußte Funktion gehabt haben könnte, eine Reaktion zu provozieren, bleibt außerhalb des Denkbaren. Was Ursache und Wirkung angeht, besteht immer Klarheit: Auf palästinensische Attentate folgen israelische Vergeltungsmaßnahmen. Die Westlichen Bündnispartner reagieren 1999 auf den Faschismus, der in Serbien wieder erwacht. Die Attentate vom 11. September 2001 sind von Terroristen und Mitgliedern der Organisation Al Qaida durchgeführt worden. Daraufhin führen die Vereinigten Staaten und die Westliche Allianz in Afghanistan großangelegte bewaffnete Operationen gegen Al Qaida und ihre Beschützer, die Taliban durch - Ursache sind die Anschläge vom 11. September 2001, die USA reagieren darauf. So einfach ist die Welt in den Begleittexten zur Ausstellung: hier gut, da böse. Zum ersten Jahrestag des 11. September 2001 zeigt die Konrad-Adenauer-Stiftung in Berlin Aufnahmen aus der New-York-Serie von Nachtwey. Sie sollen an die Opfer des 11. September erinnern. Es ist klar: Opfer des Krieges der USA gegen Afghanistan werden ausgeblendet. Ende 2003 hat Nachtwey seinen Anti-Kriegsmantel vollends abgelegt und offenbart sich als Propagandist des als 'Krieg gegen den Terror' getarnten, globalen US-Eroberungsfeldzuges:
Er präsentiert US-Soldaten, die sich an dem völkerrechtswidrigen Raubüberfall auf den Irak beteiligen, als Helden. Im Time-Magazin vom 29.12.2003 werden sie als 'Person of the Year' verherrlicht. Nachtwey stellt sich auf die Seite der Macht, er lenkt den Blick in die von seinen Auftraggebern gewünschte Richtung. Und das macht er gekonnt. Er wird zur Leni Riefenstahl des US-Imperiums. Es folgt ein Querschnitt durch die Artikel des Kriegspropagandahefts ('Time', 29.12.2003), in dem sich James Nachtwey mit seinem Beitrag nahtlos einfügt:
Reaktion von Rolf Becker, 14.2.2004 ... ein notwendiger Beitrag zur Ideologiekritik. Reaktion von Thomas Rößler, 16.2.2004 Das zitierte Time-Magazine kenne ich nicht, aber ich kenne viele Bilder von Nachtwey. Ihn als Propagandisten der USA bezeichnen, kann man wohl nur, wenn man seine Photos die eigene ideologische Brille betrachtet. Seine Bilder transportieren das Leid der Opfer, und wenn ich sie betrachte, empfinde ich Mitleid mit diesen Opfern von Granaten, Minen, Gewehrkugeln und Bombensplittern, weniger denke ich daran, ob diese Leidenden nun Opfer von serbischen, kroatischen amerikanischen oder sonstigen Waffen geworden sind... Er sagt das ja auch in dem Film (sinngemäß so:) "Wenn Menschen ein wenig von dem Schmerz spüren könnten, den ein Splitter im Körper verursacht, dann wären sie skeptischer gegenüber dem Einsatz von Militär. Ich will erreichen, dass die Betrachter meiner Bilder eine Ahnung von diesen Schmerzen bekommen..." Wenn man Nachtwey denn nun schon als Propagandisten bezeichnen will, dann doch zuallererst als Propagandisten gegen die Anwendung von Gewalt. Nachtweys Fotografien zeigen eine Ästhtetik, die seinen Themen angemessen ist. Seine Bildsprache kann man keinesfalls mit der Ästhetik einer Riefenstahl vergleichen. Ich kenne kein Bild von ihm, das einen Menschen mit photographischen Mitteln zum Heroen stilisiert. Keine Untersicht auf einen "Übermenschen" kein künstliches Licht, das kantige Gesichter modelliert, kein in die Ferne gewandter Blick.... Trotzdem: schön, dass in dem Beitrag über Nachtwey überhaupt mal das Wort Ästetik fällt. Für meinen Geschmack wird auf den Seiten der AF nämlich allzuoft und gerne über Politik als solche diskutiert und zu selten über die Möglichkeiten unseres Mediums. Schließlich lügen wir doch alle - wann immer wir den Auslöser drücken. Aber vielleicht ist über den gezielten Einsatz von photographisch-ästetischen Mitteln zum Erreichen von politischen Zielen (meinen, Euren, Nachtweys Zielen) noch lang nicht genug gesagt worden. Reaktion von Ellen Diederich (Internationales Frauen-Friedensarchiv Oberhausen), 13.4.2004 Eben habe ich den Artikel über James Nachtwey gelesen und mich erschrocken. Der Film "war photographer" über ihn und seine Fotografie hat mich so stark angerührt wie kaum etwas anderes zu diesem Thema. Ich finde seine Arbeit großartig. Seine Fotos nehmen Partei für die Opfer von Gewalt. Wenn immer ich mit Menschen ins Friedensdorf gegangen bin, haben sie ähnliche Erfahrungen wie die, die meiner Meinung nach Nachtwey jedenfalls in Ansätzen weltweit mit seinen Fotos herstellt: Die unbedingte Parteilichkeit für diejenigen, die an der Gewalt leiden. Das, was ich mir immer wünsche, daß Menschen, die Waffen herstellen, mal drei Monate im Friedensdorf arbeiten sollten, um zu begreifen, wie lange es dauert, bis ein Kind ein Bein wieder bewegen kann, versucht Nachtwey mit seinen Fotos. Ich habe in Berlin mit Helga Reidemeister und einer Frau von Arte über Nachtwey diskutiert. Die beiden Frauen fanden Nachtwey "zu schön", den Film zu sehr auf ihn als Person ausgerichtet. Er ist ein sehr schöner Mensch, ja, könnte auch in irgendwelchen Kitschfilmen einen Adligen spielen. Vielleicht stört das einige in der Betrachtung, vielleicht stellen sie sich einen Kriegsfotografen nicht so "fotogen" vor. Ich habe sehr gespürt, daß er ein sehr einsamer Mensch ist, getrieben von compassion (ich mag diese englische Wort lieber) mit denen, die an Kriegs-Gewalt, ökonomischer Gewalt leiden, verbrennen, ersticken, getötet werden. Seine Erklärungen, wie er sich mit den "Objekten" seiner Fotografie in Beziehung setzt, hat mir gut gefallen. Ich empfand ihn als sehr engagiert auf eine andere Art, als wir das gewöhnlich verstehen. Er ist sicherlich niemand für organisatorische Zusammenhänge. Bei der Stilisierung der US Soldaten als Helden in dem Artikel aus time würde ich gerne erst mal die Frage stellen, ob die Unterschriften dazu von Nachtwey kommen. Das, was bei Euch in der Nachtwey Kritik als der Nazi-Ideologie verwandtes Bild mit den drei Soldaten - ein Weißer, ein Afro-Amerikaner, eine Frau, vorgestellt wird, ist aber kein Foto, sondern ein gemaltes Bild, wenn ich das richtig sehe. Person of the Year ist natürlich zum Kotzen. Für time aber ist das sicher so. Ihr schreibt: "Die US-Propagandisten haben dazu gelernt. Es gibt keine Diskriminierung von Dunkelhäutigen (Afro-AmerikanerInnen wäre der bessere Begriff), ist ihre Botschaft. Alle reihen sich ein in die Schlacht der USA gegen das Böse". Das ist nicht neu. Ich war zur Einweihung des Vietnamkriegsdenkmals in Washington DC: Dieses Denkmal in Washington DC stellt einen Weißen, einen afroamerikanischen und einen indianischen Soldaten dar. Da gab es noch keine Frauen in den kämpfenden Truppen. Es war übrigens eine der furchtbarsten Veranstaltungen, die ich je gesehen habe: Etwa 100.000 ehemalige Vietnam-Veteranen, der größte Teil von ihnen bereit, morgen in den nächsten Krieg zu gehen. Damals und auch heute wird die schmutzigste Arbeit Krieg von AfroamerikanerInnen und auch Soldaten indianischer Herkunft gemacht. Auch auf Guantanomo haben viele der Wärter diese Herkunft. Widerlich finde ich die Unterschrift zum Haus"besuch": Vorsichtig beobachten Bewohner, wie J.L. ihre Schlafzimmer nach Waffen und verdächtigen Geldvorräten durchsucht. Es ist Angst und nicht Vorsichtigkeit. Normalerweise treten die Soldaten die Tür ein und man weiß, ab dann gibt es keinen Zwischenraum mehr zwischen dem Krieg und den Menschen. Nachtwey bildet die Verbrechen ab und schafft Bewußtsein. Parteinahme für die US-Regierung und deren Kriege habe ich nicht feststellen können. Antwort auf die Reaktion von Ellen Diederich, 15.4.2004 Vielen Dank für Deine Reaktion auf unseren Nachtwey-Artikel - auch wenn er Dich erschrocken hat. Auch uns hat das, was wir in Zusammenhang mit Nachtwey festgestellt haben, erschrocken. Zuletzt ist uns noch aufgefallen, daß die Nachtwey-Ausstellung auf der Liste der Veranstaltungen der Berliner US-Botschaft stand. Wäre James Nachtwey tatsächlich ein Antikriegsfotograf, würde er auch die Kriege von USA und NATO kritisieren - und fände dann keine Unterstützung bei den offiziellen Vertretern der USA. Worauf Du nicht eingehst, sind die Kommentare (eines Autors, mit dem Nachtwey zusammen sein wichtigstes Buch gemacht hat) in der Nachtwey-Ausstellung, die wir ausgiebig zitieren und reflektieren und die - unserer Meinung nach - belegen, daß er nur bestimmte Opfer ins Blickfeld rückt. Von Noam Chomsky gibt es dazu ein wichtiges Zitat. Es lautet: "In einem Propagandasystem werden grundsätzlich die Menschen, die in Feindstaaten Unrecht erleiden müssen, als wertvolle Opfer dargestellt, während diejenigen, die auf der eigenen Seite vielleicht noch härter angefaßt werden, keinen Wert repräsentieren." Und eine solche unterschiedliche Gewichtung von Opfern (durch Darstellung bzw. Nicht-Darstellung) sehen wir auch bei Nachtwey. Übrigens ist Nachtwey langjähriger Mitarbeiter des Time-Magazins und dürfte wissen, welche Tendenz dieses Blatt hat. Und außerdem muß er wissen, dass, wenn er das Titelbild fotografiert, er damit 'den amerikanischen Soldaten' als 'Person of the Year' glorifiziert. Reaktion von Stephan Seeger (Direktor Stiftungen der Sparkasse Leipzig, die James Nachtwey am 28.4.2004 mit dem 'Preis für die Freiheit und Zukunft der Medien' ausgezeichnet haben), 28.4.2004 Wer eigentlich sind Sie, daß Sie sich ohne konkreten Vorwurf erheben. Sie "argmentieren" mit Müll. Reaktion von James Nachtwey auf die Kritik im Rahmen eines Interviews im TAZ-Magazin vom 15.5.2004 Frage: Ihr Essay "A soldiers life" wurde im vergangenen Dezember im Time-Magazine veröffentlicht. Ein von Ihnen gemachtes Foto ziert die Ausgabe, in der der amerikanische Soldat zur "Person des Jahres" gekürt wurde. Sie standen daraufhin in der Kritik, die "US-Boys" zu verherrlichen und die irakischen Opfer zu vernachlässigen. James Nachtwey: Es war mein Auftrag, einen Zug der amerikanischen Einheiten zu fotografieren. Ich konnte nur dokumentieren, was diese Soldaten taten. Sie haben keine Menschen zu Opfern gemacht. Da ist definitiv keine Glorifizierung. Schauen Sie sich die Bilder an, nichts daran ist glorreich. Was die Bilder zeigen, ist, wie schwierig es ist, als Soldat in einem zivilen Gebiet zu arbeiten, gegen einen Aufstand. Sie zeigen auch eine Menge Langeweile, das ereignislose Leben im Camp. Was ist daran glorreich? Es gibt ein Foto in dem Essay, wo Soldaten in ein Haus einfallen, in der Ecke eine verängstigte Frau mit ihrem Kind. Ich denke, es war ein faires Stück Arbeit. Wer sagt, ich produziere Propaganda, der behauptet bewusst Falsches - oder er kennt meine Arbeit nicht. Neulich hat mir jemand vorgeworfen, ich hätte US-Soldaten im Kosovo und in Afghanistan verherrlicht. Ich habe niemals amerikanische Soldaten dort fotografiert, weder im Kosovo noch in Afghanistan. Aus einem Leserbrief von Stefan Kresin in der ver.di-Medienzeitschrift 'M', Ausgabe Juni/Juli 2004, zu unserem in der Mai-Ausgabe unter dem Titel "Verstellter Blick - Kritische Sicht auf den 'berühmtesten Kriegsfotografen unserer Zeit'" erschienenen Artikel Der aber scheinbar so unverstellte Blick auf den verstellten Propagandablick des war photographers James Nachtwey reizt dann doch zur Replik: Da wird ein guter Dokumentar-Fotograf erst Mal in sicher unglaublich repräsentativen Zitaten aus vielen Rezensionen in eine Ecke gestellt, dann wird die Ecke beschossen und als schärfste Waffe das Time-Titelbild herangezogen. Dass das Time-Magazin Jahr für Jahr die Person des Jahres kürt von Ghandi über Stalin zu den Whistleblowern, die dann aufs Titelbild kommen, bleibt unerwähnt und wird zum : "präsentiert er US-Soldaten, die sich an dem völkerrechtswidrigen Raubüberfall auf den Irak beteiligen, als Helden". Hätten die Kollegen der Arbeiterfotografie den Auftrag für ein Titelbild mannhaft abgelehnt? Die dazugehörende Bildstrecke im Heft haben sie anscheinend auch nicht gesehen, denn um die als Propaganda einzustufen, muss man Uniformfetischist sein. Dass Kollege Nachtwey zweimal den World Press Photo Award mit Bildern aus Afrika gewonnen hat, die in das Bewertungsschema nicht so sauber passen, wird ignoriert, dass er mit unzähligen Bildern aus Tschetschenien und den Philippinen berühmt ist, ebenso. Wenn die Autoren sich die Arbeit gemacht hätten, den Vorsatz der Militärpropaganda wirklich zu belegen, könnte man ihnen vielleicht glauben. Dass die One-Man-Show in New York vor der Haustür beim 11.9. fotografiert und nicht in Afghanistan sich auf Opfersuche macht, kann auch andere als Propagandagründe haben. Daneben wisst doch gerade Ihr, denke ich, dass die Bildauswahl einer Redaktion nicht in der Hauptsache beim Fotografen liegt, oder? Nachrichtenauswahl (in diesem Fall die Fotoauswahl) ist immer subjektiv. Und welche Fotos eine Redaktion benutzt, ist immer noch mehr in deren Händen als in denen des Lieferanten. Den James-Nachtwey-Fotos selbst kann man nicht unterstellen, sie würden von blindem Hurra-Patriotismus triefen. Ihr schreibt: so einfach ist die Welt in den Begleittexten zur Ausstellung: hier gut, da böse. Viel schwerer macht Ihr es Euch leider auch nicht. Antwort vom 27.5.2004 auf den Leserbrief von Stefan Kresin in 'M' Wir haben doch deutlich geschrieben: nicht die einzelnen Fotos sind das Problem, sondern die Tatsache, was er fotografiert und was nicht. Seine Fotos als solche können dabei wirklich eindrucksvoll sein. Ohne Kontext sind seine Bilder in der Regel tatsächlich nicht als Propaganda einzustufen. Doch wenn wir die Ausstellung und die Ausgabe des Time-Magazins als Ganzes studieren - was wir getan haben - kommen wir zu einem anderen Ergebnis. Die Begleittexte der Ausstellung stammen vom ehemaligen Direktor der Agentur Magnum, Robert Dannin, der auch der Textautor von James Nachtwey's wichtigstem Buch 'Inferno' ist. Wir können also nicht annehmen, daß James Nachtwey sich bei der Produktion der Austellung in die Hände irgendeiner unberechenbaren Redaktion begeben hat, die seine Bilder in einen verfälschenden Zusammenhang gerückt hat. Hier müssen wir davon ausgehen, daß die Konzeption der Ausstellung mit ihren Begleittexten zwischen Bild- und Textautor abgestimmt ist. In der Ausstellung kommen in der Tat Bilder aus sehr vielen Konflikten und Kriegen vor. Aber wenn es darum geht, zu den Kriegen von USA und NATO Stellung zu beziehen, versagt James Nachtweys Moral. Bestimmte Opfer sieht er nicht oder zeigt er zumindest nicht. Oder haben wir da etwas übersehen? Gibt es irgendwo doch Bilder von Opfern der US- und NATO-Kriege - beispielsweise gegen die Bundesrepublik Jugoslawien 1999, gegen Afghanistan 2001 und jetzt gegen den Irak? Von dem soeben mit dem Ossietzky-Preis ausgezeichneten Noam Chomsky gibt es zu dieser Thematik ein aufschlußreiches Zitat. Es lautet: "In einem Propagandasystem werden grundsätzlich die Menschen, die in Feindstaaten Unrecht erleiden müssen, als wertvolle Opfer dargestellt, während diejenigen, die auf der eigenen Seite vielleicht noch härter angefaßt werden, keinen Wert repräsentieren." Und eine solche unterschiedliche Gewichtung von Opfern (durch Darstellung bzw. Nicht-Darstellung) sehen wir auch bei Nachtwey. Und es muß doch irritieren, wenn die Ausstellung, die bis März 2004 in Berlin zu sehen war, in einer Liste von 'Veranstaltungen der US-Botschaft' aufgeführt ist. Einem Fotografen, der auch die Kriegsverbrechen von USA und NATO anprangert, würde doch nie und nimmer diese 'Ehre' zuteil. Die Ausgabe des Time-Magazins ist insgesamt ein erschreckendes Beispiel von Kriegspropaganda. Das dürfte doch keine Frage sein - unabhängig davon, wie andere Ausgaben des Magazins mit anderen 'Personen des Jahres' zu werten sind. James Nachtwey fügt sich mit seinen Bildern jedenfalls in diesen Zusammenhang ein, am extremsten natürlich mit dem Titelbild. Aber auch die 'Bildstrecke' zeichnet alles andere als ein realistisches Bild vom Krieg der USA und ihrer 'Koalition der Willigen'. Sie entwirft das Bild der 'zivilisierten Amerikaner', die im Irak eine schwierige, anspruchsvolle, minunter gefährliche, aber immer ehrenwerte Aufgabe zu erfüllen haben. Zum Glück dürften wir nicht so schnell vor die Entscheidung gestellt werden, den Auftrag für ein Time-Titelbild anzunehmen oder 'mannhaft' abzulehnen. Wir haben das Privileg, uns engagieren zu können, wo wir es für richtig und wichtig halten. Prof. Jörg Boström hat seinerzeit so treffend unterschieden zwischen 'sich engagieren' und 'engagiert werden'. In diesem Spannungsverhältnis befindet sich auch James Nachtwey. Und das Time-Magazin mit seinem Titelbild ist ein Beispiel für die zweite Variante. "I have been a witness, and these pictures are my testimony. The events I have recorded should not be forgotten and must not be repeated." - "Ich war ein Zeuge und diese Bilder sind meine Aussage. Die Ereignisse, die ich aufgezeichnet habe, sollten nicht vergessen werden und dürfen sich nicht wiederholen." Das ist das zentrale Motto James Nachtweys, das er an den Beginn seiner Website setzt. Dieser hehre Anspruch steht in einem extremen Widerspruch zu dem, was er mit dem Time-Titelbild propagiert. Hiermit trägt er ganz wesentlich dazu bei, daß Ereignisse sich wiederholen, die er angeblich so schrecklich findet. Dennoch hätten wir den Vorwurf der Propaganda nicht so drastisch erhoben, wenn wir allein das Time-Magazin gesehen hätten. Die Ausstellung mit ihrer beschriebenen Sicht war wesentlich mit entscheidend dafür, wie sich unsere Einschätzung von James Nachtwey verändert hat. Mit James Nachtwey Propaganda für die US-Army "Es ist eine Ehre, für die Armee zu fahren. Ohne sie hätten wir nicht die Freiheit, die wir jetzt haben. Für alle Soldaten, die jetzt gerade kämpfen: das ist ihr Auto." Sagt der Fahrer eines Rennwagens, der im Rahmen von so genannten Nascar-Rennen für die US-Army fährt. Solche Rennen seien nichts für Lack-Fetischisten. Hier gelte das Recht des Stärkeren. Wird in dem Beitrag von FocusTV gesagt, in dem der US-Army-Fahrer zu Wort kommt. "Laura und ich sind froh, daß wir hier sind, bei diesem fantastischen Spektakel. Und Gott beschütze die Fahrer und die Nascar-Fans und unser großartiges Land. Und nun, meine Herren, starten Sie die Motoren!" Mit diesen Worten erschallt die Stimme des Präsidenten, nachdem die Nationalhymne auf ihn eingestimmt hat.
Was mag in dem 'Antikriegsfotografen' James Nachtwey vorgehen, wenn mit seinem Bild für das Recht des Stärkeren geworben wird? Was mag in ihm vorgehen, wenn für die US-Armee und den US-Präsidenten Propaganda gemacht wird, die einen Jahrzehnte anhaltenden Krieg für eine beherrschende Rolle der USA auf der Welt im Rahmen eines 'Neuen Amerikanischen Jahrhunderts' (PNAC) führen wollen? Ist ihm klar, daß er sich an eine kriminelle Vereinigung verkauft hat, die weltweit Krieg für ihre Interessen führt? Solch ein Nascar-Rennen ist eine Veranstaltung, die den Inszenierungen der Nationalsozialisten, wie Leni Riefenstahl sie auf Film gebannt hat, sehr nahe kommt. James Nachtwey wird zur Leni Riefenstahl des US-Imperiums, hatten wir geschrieben. Das bestätigt sich hier, wie es deutlicher kaum möglich ist. |
Als wäre er ein Produkt der CIA Über den Film 'Bin Laden auf den Fersen' von Mohammed Sifaoui, ausgestrahlt am 16.2.2004 im WDR-Fernsehen im Rahmen der Sendereihe 'Die Story' Vorankündigungstext: "Seit die Amerikaner die Höhlen des Tora Bora Gebirges im Süden Afghanistans bombardierten, ist er verschwunden. Bin Laden, Feind Nummer eins der USA nach dem 11. September 01, ist von allen Geheimdiensten der Welt nicht mehr aufzufinden. Wirklich nicht? Der frankoalgerische Journalist Mohamed Sifaoui folgt seinen Spuren durch Gebirge, Steppen und Großstädte. Er riskierte mehrfach sein Leben und filmte die Statthalter des Terror-Netzwerks mit versteckter Kamera - bis in die Spitzen der pakistanischen Verwaltung. Schließlich findet er den Zufluchtsort Bin Ladens und es bleibt die Frage: Wieso verhaftet niemand den Al Quaida-Chef?"
Die 'Informationen' zum Aufenthaltsort von bin Laden Hinsichtlich dieser Fragestellung ist der Informationswert des Films annähernd Null. Der Vorankündigungstext behauptet, Sifaoui folge bin Ladens Spuren durch Gebirge, Steppen und Großstädte und finde schließlich seinen Zufluchtsort. Tatsächlich braucht der Film 45 Minuten, um deutlich zu machen, daß das alles hohle Spekulation ist:
Als öffentlich Bekannter unerkannt bei 'Al Qaida' Immer wieder soll uns vermittelt werden, wie gefährlich die Reise durch Afghanistan und Pakistan gewesen sei. "Er riskierte mehrfach sein Leben und filmte die Statthalter des Terror-Netzwerks mit versteckter Kamera", lesen wir in der Vorankündigung. Und auch im Film selbst ist davon wiederholt die Rede. Es wird als Glück dargestellt, daß die versteckte Kamera nicht entdeckt worden sei. Die Tour durch Pakistan und Afghanistan endet - so wird im Film gesagt - am 5.8.2003.
Nun ist dieser Film nicht der erste, in dem Sifaoui in Kontakt zu 'Al Qaida' tritt. Am 20.2.2003 berichtet CNN, wie Sifaoui unter falschem Namen in eine Pariser Terror-Zelle von Al-Qaida eingedrungen sei, um teils mit versteckter Kamera einen Film entstehen zu lassen. Nach der Ausstrahlung habe er Todesdrohungen erhalten und habe zugestimmt, unter Polizeischutz gestellt zu werden. Am 16.6.2003 hat auch das WDR-Fernsehen den Film mit dem Titel 'Undercover bei Al-Quaida' ausgestrahlt. "Mohamed Sifaoui riskiert mit diesem Film sein Leben und hält sich seit der Ausstrahlung im französischen Fernsehen versteckt", lesen wir in der Ankündigung zu diesem Film. Und danach begibt sich Sifaoui also schon wieder in Kreise von 'Al Qaida' ohne erkannt zu werden. Er verschwendet offensichtlich keinen Gedanken daran, daß er durch die Ausstrahlung des ersten Films überall bekannt sein könnte. Wie dumm muß 'Al Qaida' sein, nicht zu erkennen, wer ihnen gegenübersteht? Das ist absolut unglaubwürdig. Die Propaganda von den 19 Hijackern Wir wundern uns. 'Bin Laden auf den Fersen' heißt der Film. Aber jetzt kommt erst einmal eine Passage, in der zum wiederholten Male die Geschichte von den 19 Hijackern erzählt wird, die die Anschläge vom 11. September 2001 verübt haben sollen - angeblich geplant hier in Afghanistan.
Feindbild Islam Der Film ist durchsetzt mit Großaufnahmen unserer 'Feinde', der 'Terroristen' und deren Unterstützern. So entstehen besonders intensive 'Höhepunkte', die den 'Feind' deutlich als solchen erkennbar werden lassen.
Immer wieder ist unreflektiert von der Gattung 'Terroristen' die Rede. So hören wir:
Feindbild-Schauspiel Der Film beginnt und endet mit Aufnahmen einer durchs Gebirge laufenden Person, die offensichtlich bin Laden sein soll. Die Einstellung wirkt wie eine Szene aus einem Spielfilm. Die Person weist Ähnlichkeiten zu bin Laden auf, aber eben nur Ähnlichkeiten. Resümee Wenn uns der Film auch nicht das vermittelt, was er vorgibt zu vermitteln, so soll er uns doch - ganz nebenbei - zum wiederholten Male die Geschichte von den 19 Hijackern und das Feindbild Islam unterschieben. Der Film hat aufhetzenden Charakter, der dem Gebot zur internationalen Verständigung, wie es im WDR-Gesetz verankert ist, zuwiderläuft. Er bewegt sich voll und ganz auf der Schiene der seit dem 11. September 2001 verbreiteten Propaganda. Und es liegt nahe anzunehmen, daß uns der Film suggerieren soll, bin Laden sei am Leben, um ein geplantes Schauspiel als tatsächliche Festnahme bin Ladens erscheinen lassen zu können. Der Film von Sifaoui wirkt wie ein Produkt der CIA, die uns auf den Tag X vorbereiten will. |
>>> arte: Offener Aufruf zur Zensur >>> |