Israels Krieg im Nahen Osten
"Der wirkliche Antisemit ist der, der angesichts der Menschenrechtsverletzungen in den besetzten Gebieten schweigt"
Offener Brief von Dr. Meir Margalit, Historiker und ehemaliges Stadtratsmitglied von Jerusalem, vom 2.4.2008, an Bundeskanzlerin Angela Merkel

Dr. Meir Margalit, Historiker und ehemaliges Stadtratsmitglied von Jerusalem

Sehr geehrte Frau Merkel,

Schon seit langem hat man in Israel keine Reden gehört, die solchen zionistischen Pathos hatten, wie die jene, die Sie bei Ihrem Besuch in Israel vor einer Woche hielten (bundeskanzlerin.de). Sie haben während Ihres dreitägigen Besuchs sehr klar gemacht, wie sehr Sie den Staat Israel unterstützen und ihm gegen seine Feinde beistehen. Acht Minister, unzählige Regierungsangestellte und Sicherheitskräfte haben Sie mitgenommen, um mit großem Aufwand bei Ihren Gastgebern einen guten Eindruck zu hinterlassen.

Trotz des Vorgenannten muss ich Sie jedoch, bei allem Respekt, darauf hinweisen, dass Sie uns keine gute Tat erwiesen haben:

Wenn Sie nämlich wirklich nur Israels Wohl im Sinne gehabt hätten, dann hätten Sie die Palästinenserfrage zumindest erwähnt. Stattdessen taten Sie so, als ob es diese überhaupt nicht gäbe. Sie hätten mit klaren Worten erwähnen müssen, dass die israelische Besatzung der Palästinensergebiete unmenschlich ist und enden muss, dass Israel die besetzten Gebiete räumen, die Siedlungen auflösen und die Belagerung des Gazastreifens beenden muss.

Wenn Sie nämlich wirklich nur Israels Wohl im Sinne gehabt hätten, dann hätten Sie Abu Mazen zumindest einen Besuch abgestattet, und sich mit dem palästinensischem Unabhängigkeitskampf solidarisch gezeigt.

Wenn Sie wirklich an der Seite Israels gegen seine Feinde stehen wollten, dann hätten Sie zuallererst den Staat Israel selbst kritisiert. Die größte Gefahr, die Israel zu fürchten hat, geht nämlich ironischerweise nicht von Iran, sondern Israel selbst aus. Seit 1967 betreibt der Staat Israel nämlich ein System der Selbstvernichtung. Jeder, der sich um das Wohl des Staates Israel bemüht, muss ihm helfen, dieses System zu beenden.

Ich bin mir sicher, dass Sie gebildet genug sind, das zu wissen. Auch weiß ich, dass das Schuldbewusstsein des deutschen Volkes Ihnen nicht die Möglichkeit lässt, den jüdischen Staat offen zu kritisieren. Zudem kann unterstellt werden, dass israelische Politiker Ihnen in diesem Falle vorwerfen, eine Antisemitin zu sein. Trotzdem sollten Sie sich nicht davon abbringen lassen, denn der wirkliche Antisemit ist der, der angesichts der Menschenrechtsverletzungen in den besetzten Gebieten schweigt, da für jedermann evident ist, dass die Fortsetzung der Besatzung das Ende des Staates Israels nach sich ziehen wird. Und falls man Ihnen vorwirft, ein Antisemit zu sein, können Sie ja Ehud Olmert selbst zitieren, der vor drei Monaten sagte, dass wenn die Besatzung nicht beendet wird, der Staat Israel beendet werden wird.

Ich würde Sie gerne darauf hinweisen, Frau Merkel, dass sich die Mehrheit der Israelis eingesteht, dass die Besatzung untragbar ist und uns nicht weniger Schaden zufügt als den Palästinensern. Jedoch fehlt der israelischen Regierung die Kraft, die einzige Operation durchzuführen, die unser Leben retten kann: Die Entfernung des Tumors, der sich "[Besetzte] Gebiete" nennt. Durch diesen Tumor bluten wir ununterbrochen, und er macht uns von Tag zu Tag schwächer.

Und daher brauchen wir keine Solidaritätsbekundung und auch keine pro-zionistischen Reden, sondern internationalen Druck, der die Besatzung beenden kann. Allein schaffen wir das nämlich nicht. Jedoch mit Hilfe unserer europäischen Freunde gibt es eine Chance, Ruhe und Frieden für beide Völker zu erreichen.

Zum Schluss möchte ich Sie gerne darauf hinweisen, dass ich zwar kein Moralist bin, aber dennoch denke, dass Sie eine der wichtigsten moralischen Lektionen des Zweiten Weltkrieges ignoriert haben: Nämlich, dass man bei Menschenrechtsverletzungen nicht schweigen darf, und dass man gegen jedes Regime, dass ein fremdes Volk unterdrückt, kämpfen muss. Heute sind wir leider die Unterdrücker. Es ist daher Ihre Aufgabe, mit lauter Stimme zu sagen, dass es im 21. Jahrhundert keinen Platz für Besatzungsmächte und Unterdrücker gibt. Und es ist Ihre Aufgabe, zu sagen, dass jedes Volk ein Recht auf Selbstbestimmung hat.

Israel braucht diesen Druck, um seiner selbst willen. Wer Israel liebt, muss Druck ausüben, bis die Besatzung beendet ist.

Mit freundlichen Grüssen,
Dr. Meir Margalit


Weiterer Beitrag zum Thema Israel/Palästina:
Wir feiern Israels Geburtstag nicht
Gemeinsamer Brief von über 100 prominenter britische Juden, veröffentlicht am 30. April 2008 im 'Guardian'

Alle Beiträge zu Israel/Palästina im Überblick:
Tagebuch Israel/Palästina
Notizen zu Israels Krieg im Nahen Osten - insbesondere gegen die Bevölkerung Palästinas
Eine schwarze Fahne
Gideon Levy in der israelischen Tageszeitung Haaretz vom 9.7.2006
Wer hat begonnen?
Gideon Levy in der israelischen Tageszeitung Haaretz vom 13.7.2006
Israels Kriegsführung gegen die (palästinensische) Infrastruktur
Mike Whitney am 2.7.2006 auf der website 'Information Clearing House'
Anhaltender Bomben-Terror Israels im Libanon ist keine Selbstverteidigung
Offener Brief an die Kanzlerin der Bundesrepublik Deutschland Angelika Merkel, Beirut, 15.7.2006
Wider die ideologische Kontrolle
Norman G. Finkelstein und sein unfreiwilliger, hochaktueller Kommentar zu Israels neuem Krieg - Eine Betrachtung zu seinem 2006 in deutsch erschienenen Buch 'Antisemitismus als politische Waffe'
Stop dem israelischen Staatsterrorismus im Libanon und in Palästina!
Flugblatt der Wiener 'Frauen in Schwarz' anläßlich der Mahnwache am 4.8.2006 (Übersetzung eines Flugblatts der Femmes en Noir, Marseille)
Der Libanon als neues Ziel - Die Neokonservativen und die Politik des 'konstruktiven Chaos'
Analyse von Thierry Meyssan (Journalist, Schriftsteller, Präsident von 'Réseau Voltaire'), 25.7.2006 - aus dem Französischen von Klaus von Raussendorff
Kriegsanlaß durch Israel provoziert?
Über den 'Ausbruch' von Israels Krieg gegen den Libanon am 12. Juli 2006
"Wir erkennen den Staat Israel nicht länger an"
Auszüge aus dem in 'Aftenposten' vom 5.8.2006 erschienenen Artikel 'Gottes auserwähltes Volk' von Jostein Gaarder
"Das Abnormalste am Krieg, an jedem Krieg, ist die Normalität, mit der er hingenommen wird"
Rede des Schriftstellers Pedro Lenz anläßlich der Friedenskundgebung 'Nein zum Krieg im Nahen Osten' am 29. Juli 2006 in Bern
Antideutsche: deutscher Ableger der Neocons
Jürgen Elsässer in 'junge Welt' vom 2.8.2006 in einem Artikel mit dem Titel 'Alte Feinde, neue Feinde'
Der Gerechtigkeit halber
Strafanzeige gegen den israelischen Ministerpräsidenten Ehud Olmert, den israelischen Verteidigungsminister Amir Peretz und den israelischen Generalstabschef Dan Halutz wegen Verbrechen bzw. Kriegsverbrechen, am 12.8.2006 erstattet durch den Hamburger Rechtsanwalt Armin Fiand
Waffentest in Gaza
Artikel von Andrea Bistrich und Interview mit Dr. Juma Al Saqqa, Facharzt für plastische Chirurgie und Sprecher des Schifa-Krankenhauses in Gaza-Stadt
"Rain Man"
Bericht von Lama Hourani aus Gaza City vom 17. Oktober 2006
Wolf Biermann und 'Die Zeit' mißbrauchen Stolpersteinkünstler Gunter Demnig
Betrachtungen zu einem Artikel in der 'Zeit' vom 26. Oktober 2006
Die ethnische Säuberung in Palästina
Vortrag von Ilan Pappe (Israel) im Rahmen einer vom Lehrstuhl Emilio Garcia Gomez der Universität von Granada (Spanien) am 26. Oktober 2006 veranstalteten Konferenz
Mekka entgegen - Muss ein Indianer das Existenzrecht der Vereinigten Staaten anerkennen?
Artikel von Uri Avnery, israelischer Friedensaktivist bei Gush Shalom, vom 17.2.2007
Eingemauerte sieht man nicht
Deutsche Bischöfe sprechen in Israel von Berliner Mauer und Warschauer Ghetto
Palästina wird von der Landkarte getilgt
Flugblatt der Friedensbewegung zum 60. Jahrestag der UN-Entscheidung zur Teilung Palästinas
Wenn die Leugnung der Nakba unter Strafe gestellt wäre
Gedanken zum Buch 'Die ethnische Säuberung Palästinas' von Ilan Pappe - 12.12.2007
"Das machen wir selbst"
Olympiade 1972 in München, 'Schwarzer September' und die Sabotage des Friedens
"Erinnern ist nicht genug!"
Interview mit der Holocaust-Überlebenden Hedy Epstein
Das Wüten der Schlächter und die internationale Verantwortung
Michael Warschawski, Alternative Information Center (AIC), 4. März 2008
Das Megagefängnis Palästina
Ilan Pappe, israelischer Historiker, Vorsitzender der Geschichtsfakultät an der Universität Exeter, in 'The Electronic Intifada' vom 5. März 2008
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Gemeinsamer Brief von über 100 prominenter britische Juden, veröffentlicht am 30. April 2008 im 'Guardian'
Der Einzug faschistischen Denkens in die 'Linke' muß gestoppt werden! Die 'Linke' muß eine antifaschistische Partei bleiben!
Erklärung anläßlich des 1. Parteitages der Partei 'Die Linke' am 24. und 25. Mai 2008 in Cottbus - Anneliese Fikentscher und Andreas Neumann am 22. Mai 2008
Wir haben gegen die Apartheid gekämpft, wir sehen keinen Grund, sie heute in Israel zu feiern!
Erklärung aus Südafrika zum 60. Jahrestag der Staatsgründung Israels in der Übersetzung von Doris Pumphrey - veröffentlicht in 'junge Welt' vom 24.05.2008
Das gelobte Land? Obama, Emanuel und Israel
John v. Whitbeck in 'Counterpunch' vom 7.11.2008
Eine bürgerliche Demokratie nur für Juden ist keine Demokratie
Elias Davidsson im Interview mit Muslim-Markt, 2.8.2008
Eine Tasse Blut für die Bundeskanzlerin
von Anneliese Fikentscher und Andreas Neumann am 2.1.2009 und vom Bundesverband Arbeiterfotografie am 4.1.2009
Bei solchen Judenfreunden wie Sie brauchen wir Juden keine Feinde mehr
Elias Davidsson (1941 in Palästina als Sohn jüdischer, aus Deutschland geflohener Eltern geboren) reagiert auf ein Pamphlet der zionistischen Lobby gegen die Aktion 'Eine Tasse Blut für die Bundeskanzlerin'
Freundschaft mit den größten Kriegsverbrechern dieser Welt
Protest-Schreiben von Rechtsanwalt Armin Fiand gegen Israels Vorgehen in Gaza an Bundeskanzlerin Merkel und an die Botschaft des Staates Israel in Berlin
"Wir bitten Sie nachdrücklich, sehr geehrter Herr Botschafter, Ihrer Regierung unseren Protest ... zu übermitteln"
Offener Brief von Prof. Dr. Norman Paech (Außenpolitischer Sprecher der Fraktion DIE LINKE im Bundestag) und Wolfgang Gehrcke (Obmann der Fraktion DIE LINKE im Auswärtigen Ausschuss) vom 6.1.2009 an den Botschafter der Republik Israel S.E. Herr Yoram Ben-Zeev, Berlin
Hunderte protestieren in einem offenen Brief gegen Absetzung der Anne-Will-Sendung zum Thema Gaza
Offener Brief an den ARD-Chefredakteur, den verantwortlichen Redakteur beim NDR und Anne Will
Das Massaker in Gaza: letzte Phase eines Krieges, den Israel seit 1948 gegen die palästinensische Bevölkerung führt
Stellungnahme britischer Akademiker zum Vorgehen Israels gegen die palästinensische Bevölkerung - veröffentlicht im britischen Guardian am 16.1.2009
Operation Straffreiheit: Israel radiert Palästina Schritt für Schritt von der Landkarte
Der uruguayische Schriftsteller und Journalist Eduardo Galeano zum Vorgehen Israels gegen die palästinensische Bevölkerung - veröffentlicht in 'junge Welt' vom 17.1.2009
'Kindermörder'
Joachim Guilliard über die Dämonisierung der Hamas durch böswillig verzerrte Zitate - 7.2.2009
Gegen alle Regeln
Norman Paech über Gaza und das Völkerrecht - veröffentlicht in 'junge Welt' vom 11.2.2009
Das 'Bekenntnis zu Israel' und die deutsche Staatsräson
Angela Klein in der Sozialistischen Zeitung (SoZ), April 2009
Nakba-Gedenken in Israel bald strafbar?
Anneliese Fikentscher und Andreas Neumann über den Versuch, die Erinnerung auszulöschen, 1.6.2009
Protest gegen Israels Überfall auf Bil'in
Offener Brief von Willi Übelherr vom 4.8.2009 an den Botschafter Israels in Deutschland
Hört endlich auf, Euch dem Unrecht zu unterwerfen
Appell des Bundesverbands Arbeiterfotografie an die Verantwortlichen für Meinungsunterdrückung und Menschenrechtsverletzung - anläßlich der abgesagten Vortragsreise von Norman Finkelstein im Februar 2010
Rechtsextreme Hetzjagd auf den Frankfurter Iman Sabahattin Türkyilmaz
Betrachtungen zu einer von den Medien ausgelösten Kampagne - 27.2.2010
"Nicht länger schweigen, sondern intervenieren"
Linke Israelis wenden sich mit einem offenen Brief an Die Linke in Deutschland - 27.3.2010
Zur offiziellen Anerkennung Israels
Textentwurf für eine Erklärung zur gemeinsamen Unterzeichnung durch Islamische Vereine und die zuständige Stadtverwaltung - von Yavuz Özoguz - 12.11.2010
Frieden und Existenzrecht für Israelis und Palästinenser
Was mit der vom 26. bis 28. November 2010 in Stuttgart durchgeführten Palästina-Konferenz deutlich geworden ist - Resümee von Anneliese Fikentscher und Andreas Neumann
Stuttgarter Erklärung "Gleichheit – oder nichts" (Edward W. Said)
Schlussdokument der Palästina-Solidaritätskonferenz „Getrennte Vergangenheit - Gemeinsame Zukunft“ - Stuttgart, 26.-28.11.2010
"Überall zuerst den Schwächsten dienen"
Offener Brief der Initiative Kölner Klagemauer an Herrn OB Jürgen Roters und die Unterzeichner der im Internet veröffentlichten Resolution gegen die Kölner Klagemauer, Dezember 2010
"Feigheit vor dem Freund"
Kommentar von Evelyn Hecht-Galinski, 4.1.2011
Ausverkauf der Vichy-Regierung in Ramallah
Kommentar von Evelyn Hecht-Galinski, 27.1.2011
Etwas ist faul im Apartheidstaate Israel – Keine Inszenierung für den Apartheidstaat!
Offener Brief im Rahmen der BDS-Kampagne an das Berliner Theater 'Schaubühne' vom 2.5.2011
Israel mordet mit großer Vorsicht und Präzision!
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Kampf der Opfer gegen die Tätersicht
Ausstellung „Die Nakba – Flucht und Vertreibung der Palästinenser 1948“ in Köln - 15.6.2012
Stoppt den zionistischen Siegeszug des Antisemitismus
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Protestaufruf der 'Jüdischen Stimme für einen gerechten Frieden in Nahost' anläßlich des 3. Deutschen Israel-Kongresses, Berlin, 10.11.2013
Michael, gib den Preis zurück!
Offener Brief des Bundesverbands Arbeiterfotografie an DGB-Chef Michael Sommer wegen dessen Auszeichnung im Rahmen des 3. Deutschen Israel-Kongresses, 15.11.2013
Song for Gaza
Aus Anlaß der völkerrechtswidrigen israelischen Militär-Operation »Zuk Eitan« (Fester Felsen) gegen GAZA im Juli 2014
Das Massaker in Gaza beenden
Offener Brief des Bundesverbands Arbeiterfotografie an die Repräsentanten des Staates Israel und seine Unterstützer, 11.8.2014
Gegen die Stützung von Rassismus und Kriegsverbrechen
Offener Brief an Gregor Gysi, Petra Pau, Volker Beck, Reinhold Robbe und die Leitung der Volksbühne, 12.11.2014
Warum ich Gregor Gysi zur Rede stellen wollte
Stellungnahme eines in Israel lebenden Juden, von David Sheen, 13.11.2014
Wenn Rechte sich als Linke tarnen
Offener Brief an die Unterstützer von Rassismus und Kriegsverbrechen, von Anneliese Fikentscher und Andreas Neumann, 19.11.2014