Operation Russland |
Verdächtig heißt schuldig! Anmerkungen zu Andrei Nekrasow's Film 'Disbelief' über den Anschlag auf einen Wohnkomplex am Rande Moskaus im September 1999 AF, 19.12.2006 -- In der Nacht vom 8. auf den 9. September 1999 wird auf ein neunstöckiges Wohnhaus an der Gerjanow-Straße in Moskau ein Anschlag verübt. 95 Menschen kommen dabei um, 264 werden verletzt. Es ist einer von zahlreichen ähnlichen Anschlägen in dieser Zeit. Fünf Jahre später entsteht über dieses Ereignis der Film 'Disbelief' von Andrei Nekrasow. Im September 2004 wird der Film in der Berliner Akademie der Künste im Rahmen einer Veranstaltung gezeigt.
Die Rollen bei der Veranstaltung in der Berliner Akademie der Künste sind gut verteilt. Sonia Mikich, Moderatorin des ARD-Magazins 'Monitor', kündigt Sergej A. Kowalkow, Mitglied der Untersuchungskommission der Duma, als 'gutes Gewissen' Russlands an, der dann sagen kann, daß "die zentralen Sicherheitskräfte des FSB eine großen Anteil an den Anschlägen hatten". Und die 'taz', die am 10.9.2004 einen Artikel über die Veranstaltung veröffentlicht, kann resümieren: "Gut möglich, dass der russische Geheimdienst die Attacke organisierte." Sonia Mikich und Andrei Nekrasow, Regisseur des Films 'Disbelief', können "die Restaurierung sowjetischer Verhältnisse" in Russland unter Putin als drohende Gefahr an die Wand malen. Und die 'taz' kann diese Äußerung verbreiten. Auch die 3sat-Sendung 'kulturzeit' beteiligt sich an der Verbreitung der Botschaft, die der Film vermitteln soll. Obwohl der emotional aufgemachte Film keinerlei überzeugende Indizien für den Tatverdacht zu bieten hat, hören wir in der 'kulturzeit' vom 19.3.2004: "Nach dem Bombenanschlag auf ein Moskauer Wohnhaus im September 1999 hieß es sofort, die Attentäter waren Tschetschenen. An dieser offiziellen Version zweifelt der Film. Viele Ungereimtheiten wiesen darauf hin, dass Putins Geheimdienst FSB darin verwickelt sei..." Eine Schlüsselrolle spielt im Film eine Person namens David Satter, ein führender Kopf am 'Hudson Institut', einem US-amerikanischen Think-Tank mit Sitz in Washington, der sich als "unparteiische, politische Forschungseinrichtung" bezeichnet und von sich behauptet, "globale Sicherheit, Wohlstand und Freiheit voranzutreiben", zur Zeit u.a. durch "Entwicklung von Reform-Programmen zur politischen und wirtschaftlichen Umwandlung der muslimischen Welt". David Satter kommt zu Wort bei 'Radio Liberty', 'Voice of America', 'Fox News', 'The Wall Street Journal', 'New York Times', 'BBC' und zahlreichen anderen Medien-Unternehmungen.
In 'Disbelief' besteht Satter's Rolle darin, Putin und den russischen Geheimdienst FSB durch unbelegte Behauptungen für den Anschlag auf den Wohnblock im September 1999 verantwortlich zu machen. Er sieht die Notwendigkeit, Russland - wenn es nicht ausreichend kooperiert - aus dem Verbund der G-8 auszuschließen. So schreibt er in 'The Wall Street Journal'. Satter kommt es zu, offen zentrale Normen eines Rechtsstaats zu kippen, indem er das Prinzip der Unschuldsvermutung als pervers bezeichnet: "Dieses ehrwürdige, angelsächsische Prinzip der Unschuldsvermutung hat etwas Perverses. Die Unschuldsvermutung ist gedacht zum Schutz von Individuen vor der Regierung. Es läßt sich nicht anwenden auf Regierungen, die eines Massenmordes gegen die eigene Bevölkerung verdächtigt werden." Zusammengefaßt heißt das im Falle von Regierungen: Verdächtige sind schuldig! Es drängt sich die Frage auf: Läßt sich diese Logik auch auf die Bush-Regierung und den Fall 9/11 anwenden? Der Stoff von 'Disbelief' - so ist auf der website zum Film von Andrei Nekrasow zu erfahren - war bereits am Vorabend der Präsidentschaftswahlen im März 2000 Basis einer Sendung bei NTV, einem russischen Fernsehsender im Besitz des Oligarchen Vladimir Gusinsky. Die website zu 'Disbelief' nennt die NTV-Produktion eine "berühmte, investigative Dokumentation". Auch der Milliardär und Medien-Unternehmer Boris Berezovsky ließ eine Sendung zum gleichen Thema produzieren - auf Basis der NTV-Sendung. Gusinsky und Berezovsky haben nach Putins Sieg Russland verlassen. Gegen sie werden Strafverfahren eingeleitet. Gusinsky erhält die israelische Staatsbürgerschaft. Berezovsky erhält in Großbritannien Asyl und lebt dort unter dem Namen Platon Elenin. Seine Familie lebt in Israel. Im Jahr 2004 hat 'Disbelief' in Moskau Premiere - wie die NTV-Produktion im Jahr 2000 - während der russischen Präsidentschaftswahlen. Trotzdem wird Wladimir Putin am 14. März 2004 als Präsident Russlands wiedergewählt. Der Film hat sein kurzfristiges Ziel verfehlt. Nachtrag: Im Oktober 2006 findet wieder eine Veranstaltung in der Berliner Akadamie der Künste statt, wieder mit Andrei Nekrasow. Von der 3sat-kulturzeit erfahren wir dazu am 20.10.2006: "Bei einer Podiumsdiskussion zur Pressefreiheit in Russland forderte der Moskauer Filmemacher Andrei Nekrasow mehr Engagement vom Westen. Anlass der Verstaltung "Mörderische Pressefreiheit" war die Ermordung Anna Politkowskajas. Nekrasow hatte eng mit der Journalistin zusammengearbeitet. An der Diskussion in der Berliner Akademie der Künste nahmen unter anderen auch Freimut Duve, der ehemalige Beauftragter der OSZE für die Freiheit der Medien und der Philosoph Michail Ryklin teil." |
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