Drohender Kriegsschauplatz Iran |
Auf dem Weg zum Höhepunkt der Kriegspropaganda Eine Betrachtung von Anneliese Fikentscher und Andreas Neumann über den 'Spiegel' vom 29.5.2006 und das darin enthaltene Interview mit dem iranischen Präsidenten
Generelle Einschätzung der Spiegel-Ausgabe mit dem Ahmadinedschad-Interview:
Sicherlich: Ahmadinedschad operiert mit dem Begriff Holocaust. Und eine Reihe von Aussagen in der Form, wie der 'Spiegel' sie wiedergibt - erscheinen zumindest in Kombination mit den Fragen - bedenklich. Dennoch: der 'Spiegel' mit dem Interview ist ein Hinweis darauf, daß der propagandistische Vorlauf für einen Krieg gegen den Iran allmählich zu seinem Höhepunkt gelangt. Es gibt allerdings Stimmen, die die Dinge deutlich anders beurteilen. Ein Beispiel aus der Anti-Nazi-Szene: "Nach der Lektüre des Interviews mit Mahmud Ahmadinedschad im aktuellen Spiegel ist nun auch für mich die Sache endgültig klar. Ich gebe zu, ich habe es in der Tat für denkbar und sogar nicht für unwahrscheinlich gehalten, daß gezielt versucht wird, Ahmadinedschad in einem besonders dämonischen Licht erscheinen zu lassen, um auf diese Weise anschließend um so besser Krieg gegen Iran führen zu können. Das halte ich jetzt für einen deutlichen Fehler. Möglicherweise gibt es dieses Interesse westlicher Medien auch wirklich. Aber das ist völlig gleichgültig angesichts der eindeutig massiv antisemitischen, den Holocaust leugnenden und den Staat Israel grundsätzlich in Frage stellenden Äußerungen, die er in diesem Interview macht. Äußerungen der Art, wie sie A. hier macht, kann und braucht niemand zu erfinden oder zu verfälschen. Sie sind eindeutig. Gegen solche Äußerungen müssen wir uns ohne jeden Kompromiß abgrenzen und sie in aller Schärfe verurteilen. Selbst wenn alles stimmt, was an Manipulationsversuchen mit Redetexten A.'s versucht worden sein soll - dieses Interview allein bestätigt die schlimmsten Vorwürfe an seine Adresse." Dagegen kommt Thomas Immanuel Steinberg (SteinbergRecherche.com) zu einer ganz anderen Einschätzung des Interviews: "Ahmadi Nedschad benutzt die Frage nach der Realität des Holocaust, um zum Beispiel die drei Spiegel-Redakteure als scheinheilig zu entlarven. Ich finde, ihm ist das vorzüglich gelungen. Er zeigt..., daß Deutsch-Europa die Folgen der Vernichtung der europäischen Juden nie tatsächlich auf sich genommen hat und weiterhin nicht auf sich nehmen will; vielmehr diese Folgen sogar dafür instrumentalisiert, den Nahen Osten unter westlichem Joch zu halten." Wie sind diese extrem unterschiedlichen Bewertungen zu erklären? Hat das etwas mit der 'Fähigkeit' zum Ausblenden zu tun, wie es Micha Brumlik vom Fritz-Bauer-Institut vorexerziert hat, indem er dafür gesorgt hat, daß das bereits bei Suhrkamp erschienene Buch 'Nach dem Terror' des Philosophen Ted Honderich wieder vom Markt genommen wurde, der es gewagt hatte, das Verhalten der Palästinenser, die er als die 'Juden der Juden' bezeichnet, mit den Worten zu rechtfertigen: "Sie hatten ein moralisches Recht, das dem moralischen Recht etwa der afrikanischen Menschen in Südafrika gegenüber ihren weißen Sklavenhaltern und dem Apartheidstaat in nichts nachsteht." Und der es gewagt hatte zu schreiben: "So wie die Dinge liegen, wurde der Zionismus zu Recht von den Vereinten Nationen als rassistisch verurteilt." Oder hat das etwas mit dem zu tun, was wir in einem Artikel der 'Jüdischen Allgemeinen' vom 21.7.2005 mit dem Titel 'Antisemitismus als Lehrangebot an der Universität Leipzig' über den Philosophen Georg Meggle finden, der den 'Imperialismus des Westens', die 'Israelische Präventiv-Mord-Stategie' und Fragen wie: 'Kann Terrorismus gerecht, moralisch rechtfertigbar sein? Unter Umständen gar geboten?' thematisiert, der seinem Kollegen Ted Honderich und dem Holocaust-Überlebenden Hajo G. Meyer, der scharfe Kritik an der Politik Israels übt und vom Holocaust als Ersatzreligion spricht, ein Forum gegeben hat? Die 'Jüdische Allgemeine' bezeichnet die Vorlesungen zu diesen Themen als Propagandaveranstaltungen, in denen keinerlei wissenschaftlicher Beitrag zu sehen sei, und verunglimpft den Holocaust-Überlebenden Hajo G. Meyer als "einen alten, wirren Juden". Die Auseinandersetzung um die Äußerungen des iranischen Präsidenten ist zu einem ganz wesentlichen Teil auch eine Auseinandersetzung um ein Tabu-Thema: die Verdrängungspolitik Israels gegenüber den Palästinensern. Wenn wir Zweifel am Holocaust bzw. dessen Leugnung verurteilen, dann müssen wir auch das weitgehende Ignorieren und damit Leugnen des seit Jahrzehnten bis zum heutigen Tage stattfindenden (schleichenden) Völkermords an palästinensischen Männern, Frauen und Kindern verurteilen. Wenn wir Antisemitismus verurteilen, dann müssen wir auch das Behandeln von Menschen als Menschen zweiter Klasse, also den Antisemitismus gegenüber den Palästinensern verurteilen. Den Holocaust können wir nicht mehr rückgängig machen. Aber das, was mit den Menschen in Palästina geschieht, können wir noch stoppen. (Das Interview ist im Netz auf deutsch und englisch kostenlos abrufbar. Auf der deutschsprachigen Seite ist zusätzlich ein kurzer Propaganda-Film als Video abrufbar.) |
Weiterer Beitrag zum drohenden Kriegsschauplatz Iran: |
War is Brewing - Krieg braut sich zusammen... Das Kapital verlangt von der US-Regierung irgendeinen Angriff zur Stabilisierung des Kapitalismus - Betrachtung von Daniel Neun (0815-Info), 22.6.2006 |
Alle Beiträge zum Iran im Überblick: |
Tagebuch Iran Notizen aus dem Kontext des drohenden Krieges gegen den Iran |
Die 'Welt', ein 'genialer Netzwerker' und der Angriffskrieg gegen den Iran Anmerkungen zu einem Artikel in der 'Welt', 12.2.2006 |
Was die Kriegspropagandisten von sich geben Äußerungen von Angela Merkel, George W. Bush, John McCain, Joseph Lieberman, Donald Rumsfeld, Condoleezza Rice, John Bolton, Ehud Olmert (Stand: 29.4.2006) |
Stoppt den Krieg gegen Iran, bevor er beginnt! - Stop the war on Iran before it starts! Internationaler Appell - Online-Petition |
Israel, Iran und die Atomwaffen Knut Mellenthin in 'junge Welt' vom 19.10.2005 |
'Israel von der Landkarte löschen' - Der Krieg gegen den Iran hat längst begonnen Über die angeblichen Äußerungen des iranischen Präsidenten Ahmadinedschad, 9.3.2006 (zuletzt erweitert am 9.4.2006) |
Bomben auf den Iran? - Gedanken zum Iran-Krieg Artikel von Prof. Georg Meggle, 18.1.2006 |
Kriegspropaganda für die Massen - Feindbild Iran Veröffentlichungen aus 'Bild' und 'Bild am Sonntag' ab Dezember 2005 |
Leugnet Irans Präsident den Holocaust oder legt er die Finger in die Wunde des Westens? Eine Analyse der Medienrhetorik auf dem Weg zum Krieg gegen den Iran, 3.4.2006 (erweitert am 9.4.2006) |
Eine gelungene Infektion Über die Funktion eines Horst Mahler in der kriegsvorbereitenden Propagandakampagne gegen den Iran, 14.4.2006 |
Wer nicht mitspielt, ist Antisemit Wie die 'taz' den Planungen der USA für einen Atomkrieg gegen den Iran begegnet, 22.4.2006 |
Iran: Dreck, Teufel, Pfeifen und Pfifferlinge Was die 'westlichen' Medien aus Ahmadinedschads Äußerungen vom 28.4.2006 machen |
Genug ist genug! - 'Nur' Verbrechen gegen die Menschheit oder schleichender Völkermord? Eine Dokumentation von Ellen Rohlfs zur Situation in Palästina, 2005/2006 |
Von Nazis nicht für einen Krieg gegen den Iran einspannen lassen! Über die Rolle einer von Nazis angemeldeten Pro-Iran-Demo am 17.6.2006 in Frankfurt-Sachsenhausen |
Wie wir dem Krieg den Weg bahnen Eine Überlegung zur Strategie für einen Krieg gegen den Iran, 4.6.2006 |
Auf dem Weg zum Höhepunkt der Kriegspropaganda Eine Betrachtung über den 'Spiegel' vom 29.5.2006 und das darin enthaltene Interview mit dem iranischen Präsidenten |
War is Brewing - Krieg braut sich zusammen... Das Kapital verlangt von der US-Regierung irgendeinen Angriff zur Stabilisierung des Kapitalismus - Betrachtung von Daniel Neun (0815-Info), 22.6.2006 |
Der Gerechtigkeit halber (2) Strafanzeige gegen die Vorsitzende des Zentralrats der Juden, Charlotte Knobloch, wegen Beleidigung des Staatspräsidenten des Iran |
"Seien Sie herzlich gegrüßt!" Brief von Irans Präsident Ahmadinedschad an Bundeskanzlerin Merkel vom 20.7.2006 |
"Noble Americans - Ehrenwerte Amerikaner" Brief von Irans Präsident Ahmadinedschad vom 29.11.2006 (in der englischen Fassung) |
Das Lügennetz über dem Iran Analyse des österreichischen Autors Malte Olschewski über die manipulierte Berichterstattung über den Iran und seinen Präsidenten Ahmadinedschad |
Verhindern Sie diesen Krieg! Offener Brief an Bundeskanzlerin Frau Angela Merkel, 19.2.2007 |
Herr der Bombe Wie wir vom Kölner Stadt-Anzeiger mit dem Gedanken eines Krieges gegen den Iran vertraut gemacht werden sollen - über eine Veröffentlichung vom 8.2.2007 |
Der nächste Krieg in Sicht - Wann fallen US-Bomben auf Teheran? Michael Opperskalski in 'Geheim', Ausgabe vom 31.3.2007 |
Desinformation im 'Kölner Stadt-Anzeiger' Äußerungen von Mohamed ElBaradei am 24.5.2007 in Sachen Iran |