Krieg gegen den Terror - Analysen, Einschätzungen und Stellungnahmen |
Ein Geschenk für die Rechte Artikel von Noam Chomsky (*) aus dem Internet-Magazin ZNet, übersetzt von Rainer Rupp, veröffentlicht in 'junge Welt' vom 14.9.2001 Die terroristischen Angriffe auf die USA gehören in die Kategorie der bedeutenden Greueltaten. In ihrem Umfang erreichen sie aber möglicherweise nicht die Bedeutung vieler anderer Greueltaten, wie zum Beispiel die Bombardierung des Sudans durch US-Präsident William Clinton. Ohne glaubwürdigen Vorwand wurde damals die Hälfte der pharmazeutische Produktion des Landes zerstört, was für eine große, aber unbekannte Zahl von Menschen den Tod bedeutete. - Niemand kennt die genaue Zahl, weil die USA eine entsprechende Anfrage in der UNO blockierten und auch niemand Wert darauf legt, die Frage weiter zu verfolgen. - Um nicht von noch viel schlimmeren Fällen zu sprechen, an die man sich leicht erinnert. Daß es sich bei den Angriffen auf New York und Washington um ein abscheuliches Verbrechen handelt, steht außer Zweifel. Die meisten Opfer kommen aus der arbeitenden Bevölkerung: Hausmeister, Sekretärinnen, Feuerwehrmänner, usw. Mit großer Wahrscheinlichkeit wird sich der Anschlag auch für die Palästinenser und andere arme und unterdrückte Völker als vernichtender Schlag erweisen. Wahrscheinlich ist auch, daß dies zu verschärften Sicherheitsmaßnahmen und Kontrollen führen wird, möglicherweise mit vielfältigen Auswirkungen zur Untergrabung der Bürgerrechte und der innerstaatlichen Freiheiten. Die Ereignisse decken auch auf dramatische Weise die Dummheit des Projektes für die "Nationale Raketenverteidigung" (NMD) auf. Von Anfang an war es offensichtlich und es war auch immer wieder von strategischen Analytikern betont worden, daß es in hohem Maße unwahrscheinlich ist, daß, wenn jemand den Vereinigten Staaten unermeßlichen Schaden zufügen will - einschließlich des Einsatzes von Massenvernichtungswaffen - er dies nicht mit einem Raketenangriff versuchen wird, wodurch seine eigene sofortigen Zerstörung garantiert wäre. Statt dessen gibt es unzählig viele einfachere Methoden, die im Grunde genommen nicht aufzuhalten sind. Aber die jüngsten Ereignisse werden sehr wahrscheinlich dazu ausgenutzt werden, um den politischen Druck zur Entwicklung und Dislozierung des NMD-Systems noch zu verstärken. "Verteidigung" ist ein fadenscheiniger Vorwand für die Pläne zur Militarisierung des Weltraums. Und mit guten Public Relations werden sogar die dünnsten Argumente in der erschreckten Öffentlichkeit Gewicht bekommen. Mit anderen Worten, das Verbrechen ist ein Geschenk für die chauvinistische, hurrapatriotische Rechte, für all jene, die nur darauf warten, Gewalt einsetzen zu können um ihre Interessen zu schützen. Die wahrscheinliche Reaktion der USA wird jedoch nur noch mehr Angriffe wie diese - oder noch schlimmere - auslösen. Jetzt erscheinen die Aussichten für die Zukunft sogar noch ominöser, als sie es vor den jüngsten Greueltaten waren. Wenn es darum geht, wie wir reagieren sollen, dann haben wir eine Wahl. Wir können unserem gerechtfertigten Horror Ausdruck verleihen, oder wir können versuchen zu verstehen, was die Gründe für diese Verbrechen sind; was dazu geführt hat. Das bedeutet, daß wir uns bemühen müssen, uns in die Vorstellungswelt der potentiellen Täter zu begeben. Falls wir den zweiten Weg wählen, dann können wir - meiner Meinung nach - nichts besseres tun, als uns die Worte von Robert Fisk zu verinnerlichen, dessen direkte Kenntnisse und dessen großer Einblick in die Probleme der Region nach vielen Jahren hervorragender Berichterstattung nicht zu übertreffen sind. Nachdem er "die Gemeinheiten und ungemeinen Grausamkeiten gegen ein unterdrücktes Volk", die Palästinenser, beschrieben hat, fährt er fort: "Dies ist nicht der Krieg der Demokratie gegen den Terror, was der Weltöffentlichkeit in den nächsten Tagen glaubhaft gemacht werden soll. Vielmehr geht es hier um amerikanische Raketen, die ein palästinensisches Haus zerstören, es geht auch um US-Hubschrauber, die 1996 Raketen auf libanesische Krankenwagen abfeuerten, und es geht um amerikanische Granaten, die im Dorf mit dem Namen Qana einschlugen, und es geht um libanesisch- christliche Milizen, die - von Amerikas israelischem Verbündeten bezahlt und uniformiert - sich hackend, raubend, vergewaltigend und mordend ihren Weg durch Flüchtlingslager bahnten. Und es geht noch um viel mehr." Nochmals, wir haben eine Wahl: Wir können entweder versuchen zu verstehen oder es bleiben lassen, um damit jedoch die Wahrscheinlichkeit zu erhöhen, daß noch viel schlimmeres auf uns zukommen wird. (*) Noam Chomsky ist Professor am Massachusetts Institute of Technology (MIT) und einer der prominentesten Kritiker der Außenpolitik seines Landes |
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