Krieg gegen den Terror - Analysen, Einschätzungen und Stellungnahmen |
"Es wird ein Feldzug" Presse- und andere Stimmen zum Anschlag in den USA und zu möglichen Reaktionen - veröffentlicht in 'junge Welt' vom 15.9.2001 Die Welt dreht sich nicht um die USA Die Amerikaner müssen sich jetzt einige Fragen stellen, die sie früher aus reiner Selbstgefälligkeit ignorierten. Weshalb ist der Anti-Amerikanismus so stark in aller Welt? Woher kommt der Haß auf den "Großen Satan"? Es ist Zeit für die USA, in der internationalen Politik Abschied vom System des Ptolemäus zu nehmen, wonach sich Amerika als Nabel der Welt betrachtet. Als ob sich alle anderen um Amerika drehen wie die Planeten um die Erde bei Ptolemäus. Das Jahrhundert des Kopernikus hat längst begonnen. ('Wremja', Moskau) Maß der Arroganz Wird irgend jemand in den USA ernsthaft die Antworten auf die schwierige Frage suchen, ob die US-Außenpolitik solche Verzweiflungsangriffe herausfordert und anspornt? Warum hat sich fast in der gesamten Welt so viel Schadenfreude gegenüber den USA angehäuft? Ist das nicht alles ein Beweis dafür, daß die einzige Supermacht das Maß ihrer Arroganz überschritten hatte, den ganzen Planeten nach eigenen Vorstellungen zu formen? ('Vreme', Belgrad) Staaten ausschalten Es wird ein Feldzug (campaign) und keine einzelne Aktion. Die USA werden die Vergeltungsaktion gegen die Verantwortlichen und deren Helfer so lange fortführen, bis der Terror aufhöre. Es geht darum, Staaten auszuschalten (ending states), die Terrorismus unterstützten. (Paul Wolfowitz, Stellvertreter des US-Verteidigungsministers) Warnung Ich erwarte keine schnelle Aktion ohne Vorliegen von Beweisen. Wenn Amerika dennoch angreift, verübt es selbst einen Terroranschlag. (Abdul Salam Saif, Botschafter der Taliban in Pakistan) Erinnerung Die terroristischen Anschläge vom 11. September und die von US-Präsident George W. Bush angekündigte Vergeltung werden dazu führen, daß sich die westlichen Staatsmänner mit der Definition des Terrorismus auseinandersetzen müssen. Hinter diesem Wort verbergen sich höchst unterschiedliche Vorstellungen, nicht nur diesseits und jenseits des Atlantik, sondern auch unter den 15 EU-Partnern. Aber wie soll man etwas bekämpfen, dessen Definition nicht klar ist? An Beispielen wie dem Baskenland, Nordirland, Tschetschenien und dem Nahen Osten haben die westlichen Staaten vorgeführt, daß sie vom Terrorismus und den Beziehungen zu Terroristen unterschiedliche Vorstellungen haben. Jetzt, wo sich der Verdacht auf den Milliardär Bin Laden richtet, muß daran erinnert werden, daß eben dieser Bin Laden einst vom US- Geheimdienst eingesetzt wurde, um die sowjetische Invasion in Afghanistan zu bekämpfen. ('Le Monde', Paris) Veraltetes Weltbild Seit dem Massenmord in New York und Washington findet zunehmend eine Sprache Verwendung, die aus der Zeit des Kalten Krieges stammt. Aus jenen Tagen, als Ronald Reagans "Reich des Bösen" in aller Munde war. Nach dem Schock vom 11. September ist selbst das Vokabular von liberalsten Politikern gespickt mit kriegerischen Ausdrücken. (...) Die Rhetorik, die in diesen schweren Tagen aus dem Weißen Haus zu vernehmen ist, läßt die Vermutung aufkommen, daß ein veraltetes Weltbild heraufbeschworen werden soll. Nur: Das Böse läßt sich heute nicht so eingrenzen wie damals. Der Feind unserer Tage agiert global und ist in Zellen und Banden organisiert. Mit dem Denkmuster aus dem Kalten Krieg wird er nicht zu besiegen sein. ('Tages-Anzeiger', Zürich) Schwarz-Weiß-Denken Es gibt Situationen, in denen man sich im Wissen um die ganze Kompliziertheit der Welt entscheiden muß für Gut oder Böse, Schwarz oder Weiß. ('Die Welt', Berlin) Kühle Vernunft Sofern sich auf seiten der Terroristen ein Staat oder eine Regierung als beteiligt herausstellen sollte, so kann daraus ein Krieg entstehen. Deshalb ist um so mehr kühle Vernunft geboten. (Helmut Schmidt, Ex-Bundeskanzler) Poetische Kostbarkeit New York, man kann dich in drei Elemente unterteilen. Zuerst bist du das Wasser, denn du bist eine Insel im Fluß. Dann dein Licht, am Tag wie in der Nacht. Tagsüber reflektieren deine himmelhohen gläsernen Häuser die Sonne, als gäbe es sie millionenmal. Nachts flimmerst du wie Millionen Glühwürmchen. Aber dein drittes und schönstes Element ist die Sehnsucht. Du bist die Sehnsuchtsstadt unseres Orbits. Wer sich zu dir retten konnte, war gerettet. Und nun müßt ihr euch selber retten. (Franz Josef Wagner, 'Requiem für New York' in der Bild-Zeitung) Proklamation (...) Deshalb proklamiere ich, George W. Bush, Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika, aufgrund der mir durch die Verfassung und die Gesetze der Vereinigten Staaten verliehenen Vollmacht, Freitag, den 14. September 2001 als Nationalen Tag des Gebets und Gedenkens an die Opfer der Terroranschläge vom 11. September 2001. Ich rufe das amerikanische Volk und alle Andachtsorte auf, an diesem Nationalen Tag des Gebets und Gedenkens um 12.00 Uhr mittags Gedenkgottesdienste abzuhalten, die Glocken zu diesem Zeitpunkt zu läuten und abends Gedenkwachen mit Kerzen abzuhalten. Ich bitte die Arbeitgeber, ihren Angestellten über Mittag freizugeben, so daß sie an den Gottesdiensten teilnehmen und für unser Land beten können. Ich lade alle Menschen auf der Welt ein, unsere Trauer mit uns zu teilen und gemeinsam mit uns an diesem feierlichen Gedenken teilzunehmen. Zu Urkund dessen setze ich an diesem dreizehnten Tag im September im Jahre des Herrn zweitausendeins und im zweihundertsechsundzwanzigsten Jahr seit der Unabhängigkeit der Vereinigten Staaten meine Unterschrift unter dieses Dokument. (George W. Bush) |
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