Krieg gegen den Terror - Analysen, Einschätzungen und Stellungnahmen
Insiderhandel - In USA laufen Untersuchungen: Wußten Investoren vor den Anschlägen Bescheid?
Artikel von Barry Grey in 'junge Welt' vom 16.10.2001

In den zwei Wochen vor den Terroranschlägen vom 11. September auf New York und Washington gab es eine plötzliche und unerklärliche Welle von spekulativem Handel an den amerikanischen Aktien- und Anleihemärkten, die darauf hinweist, daß einige reiche Investoren mit guten Beziehungen im voraus von der bevorstehenden Katastrophe wußten. Diese Kreise setzten erhebliche Summen auf eine kommende große Krise, die den Wert der Aktien von Fluglinien, Touristikunternehmen und Versicherungsgesellschaften in den Keller treiben und das Vertrauen in die amerikanische Wirtschaft insgesamt unterminieren würde.

Die US-Börsenaufsicht SEC, der Secret Service und das FBI führen gegenwärtig Untersuchungen durch. Im Gegensatz zu der rund um die Uhr laufenden Berichterstattung über Warnungen vor neuen Terroranschlägen und Verhaftungen von Verdächtigen in den USA und Europa haben diese Untersuchungen in den Medien jedoch nur geringe Aufmerksamkeit gefunden.

Kurz angebunden hat die SEC bestätigt, daß sie verdächtige Finanztransaktionen daraufhin untersuche, ob sie mit terroristischen Organisationen in Verbindung stünden. Aber das schiere Ausmaß der in Frage stehenden Aktien- und Anleiheaktivitäten widerlegt den Verdacht, daß sie das Werk von Osama bin Ladens Guerillagruppen oder gar der Fanatiker sein könnten.

Das "Wall Street Journal" berichtete am 2. Oktober, daß sich der Secret Service der im Gang befindlichen Untersuchung verdächtiger Aktienverkäufe durch die SEC angeschlossen hat und jetzt umfangreiche Käufe von US-Schatzbriefen mit fünfjähriger Laufzeit unmittelbar vor den Attacken untersucht. Eine der Schatzbrieftransaktionen hatte allein einen Wert von fünf Milliarden Dollar.

Das Blatt schrieb: "Schatzbriefe mit einer Laufzeit von fünf Jahren sind in etwa die beste Investition im Fall einer Weltkrise, besonders wenn sie die USA trifft. Die Briefe beziehen ihre Attraktivität aus ihrer Sicherheit und ihrer Garantie durch die Regierung und erleben normalerweise ihre Hochzeit, wenn Investoren riskantere Investitionen wie Aktien meiden." Der Wert dieser Briefe ist seit den Ereignissen des 11. September stark gestiegen, wie das Journal anmerkte.

Der Artikel zitierte dann den Anlagestrategen Michael Shamosh mit den Worten: "Wenn jemand so etwas täte, dann im Fünf-Jahre-Sektor dieses Marktes. Er ist äußerst liquide, und die Spuren sind nur schwer zurückzuverfolgen."

Die SEC untersucht eine Welle von kurzfristigen Verkaufsaktivitäten bei verschiedenen Werten in den Tagen vor den Angriffen. Sie hat amerikanische Wertpapierhäuser aufgefordert, Kundenkonten und Belege offenzulegen. In der Woche vor dem 11. September mußten die Aktien von Fluglinien, Versicherungsgesellschaften, Touristikunternehmen und Finanzfirmen mit Büros im World Trade Center überdurchschnittliche Wertverluste hinnehmen, was nach den Anschlägen den Verdacht der Aufsichtsbehörde erregte. Nach den Angriffen waren diese Werte besonders stark von den Verkäufen an der Wall Street betroffen.

Die SEC war über ihre Untersuchung bisher alles andere als auskunftsfreudig. Dabei hat sie Wertpapierhäuser und Behörden in Europa, Kanada und anderen Ländern um Mithilfe gebeten. Aber am vergangenen Dienstag stellte die Vertretung der kanadischen Wertpapierhäuser eine Liste von 38 Aktienwerten in ihre Website ein, die ihr von der amerikanischen SEC übersandt worden war. Die amerikanische Agentur hatte die Kanadier gebeten, sich den Handel mit diesen Werten vom 27. August bis zum 11. September einmal genauer anzuschauen. Sobald die US-Beamten dieser Veröffentlichung gewahr wurden, verlangten sie von den Kanadiern, sie wieder aus dem Netz zu entfernen, was diese auch taten. Journalisten hatten jedoch die Liste zwischenzeitlich heruntergeladen, bevor sie wieder gelöscht wurde.

Die Liste enthält u. a. die Fluggesellschaften American, Continental, Delta, Northwest, Southwest, United und US Airways, den Flugzeughersteller Boeing und den Rüstungskonzern Lockheed Martin. Mehrere Versicherungskonzerne sind aufgeführt - American International Group, Axa, Chubb, Cigna, CNA Financial, John Hancock und MetLife. Auch finden sich zahlreiche große Firmen, die Büros im World Trade Center gemietet hatten: die Investmentfirmen Morgan Stanley und Lehman Brothers, die Bank of Amerika und der Finanzkonzern Marsh & McLennan. Auf der Liste stehen auch General Motors, American Express oder die Citigroup.

Bei seiner Aussage vor dem Ausschuß des Repräsentantenhauses für Finanzdienstleistungen sagte Dennis Lormel, der Chef der FBI-Abteilung für Wirtschaftskriminalität: "Bis jetzt gibt es noch keine Belege, ... daß jemand das ausgenutzt hat." "USA Today" zitierte jedoch den Mitbegründer von PTI-Wertpapiere, Jon Najarian, der als "aktiver Spieler" an der Optionsbörse von Chicago gilt, mit den Worten: "Die Volumina lagen weit außerhalb der Norm."

Es läßt sich im Moment nicht sagen, welche Personen, Gruppen oder Firmen im voraus Kenntnis von den Angriffen am 11. September hatten und dies nutzten, um Kasse zu machen. Man weiß auch nicht, ob jemand davon in den USA residiert. Aber die andernfalls unerklärliche Welle von Schatzbriefkäufen und von Blankoverkäufen bestimmter Aktien sind ein weiterer Hinweis darauf, daß an der Planung der Angriffe auch bestens ausgebildete Leute mit großem Vermögen beteiligt waren, die so manche Facette der amerikanischen Gesellschaft sehr genau kennen.

Quelle: www.jungewelt.de bzw. www.wsws.org/de/2001/okt2001/trad-o13.shtml


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